Zwar ist es schon so, dass dann bei bestimmten Gattungen bzw. Artkomplexen in Europa immer nur drei, vier Personen qualifiziert bestimmen können (du kennst ja sicher die hier geäußerten Sprüche: "den schick ich mal zu Ditte", "mal sehen, was Ditte dazu sagt"... - das trifft das Problem genau!). Aber es ist nicht so, dass man als Hobbymykologe nichts Sinnvolles draus machen kann.
Man kann mMn:
- sich auf die Gattungen/Arten beschränken, bei denen Sequenzierungsarbeit keine Rolle spielt, entweder weil die Verhältnisse auch ohne diese klar sind, oder vielleicht auch, weil noch keine Verhältnisproblematik festgestellt wurde. Das wären die klassischen allgemein bekannten großen Pilze mit Hut und Stiel, die man in Pilzbüchern für die Allgemeinheit findet ("kann man den essen?"; ich nenne sie "Blue-Chips"-Arten).
Abgesehen davon, dass auch solche Arten in Zukunft von der Sequenzierung nicht ausgenommen bleiben werden, liest sich das wie: "Kümmert Euch um Steinpilze und Pfifferlinge und überlasst die anderen Arten denen, die Ahnung haben".
- mit den Sequenzierern zusammenarbeiten, indem man ihnen sauber dokumentiertes Feldmaterial einsammelt und zuschickt. So kann man sich mit relativ einfachen Mitteln am wissenschaftlichen Geschehen beteiligen, und die mit elaboriertem Equipment, aber nur begrenztem Forschungsmaterial ausgestatteten Forscher werden es einem sicher danken
Möglicherwise unterschätzt Du die Flut an Proben, die dann auf die jeweiligen Spezialisten zukommen. Und selbst wenn diese sauber dokumentiert sein sollten, glaubst Du tatsächlich die freuen sich über hunderte Proben Jährlich? Nein, können sie gar nicht. Sie werden sich maximal die für Sie interessantesten Proben rauspicken, völlig zu Recht und verständlich. Und der Rest wird nicht bearbeitet, kann ja auch gar nicht. Somit ist das Groß der Probensammler enttäuscht und wird das über kurz oder lang einstellen.
- ansonsten auf aktuelle Literatur warten, in die Erkenntnisse der Sequenzierungsforschung eingeflossen sind; z. B. für Ritterlinge gibt es die ja schon, vielleicht auch bald für Risspilze, Schleierlinge oder Amaniten? Ich z. B. warte auf nichts sehnlicher als auf Literatur, die endlich fünf Arten der Fliegenpilze oder drei Arten der Perlpilze und der Grauen Wulstlinge sauber auflistet, oder die etwa ein verlässliches Gattungskonzept der Risspilze aufstellt - wie anders als mit Methoden der Gensequenzierung wäre dies leistbar?
Und aus diesem Passus lese ich, dass Du mich nicht verstanden hast. Ich habe mehrfach geschrieben, dass die Sequenzierung eine gute Sache sein kann, wenn es darum geht makroskopische, mikroskopische oder ökologische Unterschiede als Artrelevant oder irrelevant zu klären. Doch dabei wird es nicht bleiben. Es wird eine zunehmende Zahl an Arten geben, die ausschließlich per Sequenzierung bestimmbar sind. Und da nutzt auch die beste und modernste Literatur nichts, wenn man selbst nicht in der Lage ist zu sequenzieren.
Also aus meiner Sicht deutlich mehr als Briefmarkensammeln.
FG
Oehrling