Dann will ich auch mal erzählen, wie ich mich fast umgebracht hätte.
Ich war 15 oder 16 und mit den Eltern in den Ötztaler Alpen im Sommerurlaub. Meistens bin ich alleine durch die Bergwelt gestiefelt, auf der Suche nach Insekten, Pflanzen, Beeren und - natürlich - Pilzen. Damals allerdings ausschließlich auf Pfifferlinge fixiert.
Irgendwo zwischen den Orten Längenfeld und Gries bin ich links den Berg hoch und dann auf Tierpfaden die Hänge gequert. Ich war schon recht ein paar Stunden unterwegs und querte wieder einen sehr steilen Hang, der mit großen Nadelbäumen bewachsen war. Da sehe ich so 15m unter mir einen großen Kranz mit Pfifferlingen. Klar, die will ich.
Richtig gutes Schuhwerk hatte ich, also den Pfad verlassen und vorsichtig hangabwärts gestiegen. Es war heftig steil, so dass ich, wenn ich mich leicht zur Seite neigte, den Hang mit ausgestrecktem Arm etwa in Brusthöhe berühren konnte.
Es war aber nicht nur steil, sondern der Boden war mit einem dicken Polster aus Tannennadeln bedeckt. So hab ich also immer mit einem Fuß einen Tritt in den Boden gestampft, dabei den nächsten frontal vor mir stehenden Baum anvisiert. Sollte ich abrutschen, konnte ich mich da fangen.
Das ging auch die ersten 10 Meter ganz gut, doch dann war da kein Baum mehr vor mir, bzw. stand der nächste viel zu weit weg. Dort begann auch eine kleine Schneise, in deren Mitte die Pfifferlinge standen. Auf der anderen Seite der knapp 2m breiten Schneise standen jedoch reichlich Bäume. Also die schmale Schneise queren, und auf der anderen Seite runter bis zu den Pfifferlingen.
Der Plan war prima, jedoch nur bis etwas zur Mitte der Schneise. Da rutscht mir der Standfuß weg und ich schlittere die Schneise runter abwärts. Es ist nicht zu glauben, wie glatt so ein Nadelboden ist. Es gab weder Sträucher noch Wurzeln oder sonstwas, wo ich mich hätte fangen können.
Also rausche ich mitten durch die Pfifferlinge immer weiter bergab. Ich versuche, die Absätze in den Boden zu rammen, aber das klappt nicht. Schließlich gelang es mir, mich auf den Bauch zu drehen und die Rutschpartie mit gespreizten Beinen und verkanteten Schuhsohlen abzubremsen und schließlich aufzuhalten.
Puhh, erst mal durchatmen. Angst hatte ich bis dahin nicht, denn den Hang hätte ich auch noch ein paar hundert Meter weiter rutschen können, ohne mir etwas schlimmeres zu tun.
Also vorsichtig erst mal auf den Rücken drehen, aufsetzen und schauen, wie ich wieder zurück komme.
Als ich dann so sitze und den Hang abwärts schaue sehe ich, dass da, keine 10 Meter vor mir, eine Abbruchkante ist. Also nix mit ein paar hundert Meter weiterrutschen. Runterschauen kann ich zwar nicht, aber ich sehe etwa in Augenhöhe die Wipfel unterhalb der Kante stehender, großer Nadelbäume.
Jetzt hatte ich Angst. Ich hab mich dann vorsichtig nach links bis zum ersten Baum bewegt. Dieser Baum war mein bester Freund. Nee, was war ich glücklich, den umarmen zu können. Zurück ging es dann recht einfach, von Baum zu Baum, und immer den letzten Baum im Rücken, falls ich nochmal abrutsche.
Kurzer Zwischenstopp bei den Pfifferlingen, vorsichtig seitlich in die Schneise getastet und die Pfifferlinge, die ich nicht abrasiert hatte in den Rucksack gesteckt. (Anmerkung der Red.: Da kann man mal sehen, wie bekloppt und unbelehrbar man als junger Mensch sein kann).
Wieder zurück zu den Bäumen und hoch zum Pfad.
Groß belastet hat mich das damals nicht. Der Schreck war schnell verflogen, aber die Neugier blieb. Ich wollte wissen, wie tief es an der Kante wirklich runterging.
Also bin ich bei nächster Gelegenheit bergab gestiegen und unterhalb der Kante den Hang wieder zurück. Nach ein paar hundert Metern kam ich dann an die Stelle.
Jau, das waren locker 15 Meter Steilwand. Das hätte ich sicher nicht überlebt, zumal der Boden unterhalb des Abbruchs mit großen Felsbrocken belegt war, die meinen Sturz unsanft gebremst hätten.
Zwischen diesen Felsbrocken fand ich sogar noch ein paar von den Pfifferlingen, die ich oben abrasiert hatte. Die hatten nicht so viel Glück wie ich.:)
Ich habe das Überleben meiner Dummheit ausschließlich den guten Bergschuhen mit Ihrer dicken, steifen Sohle zu verdanken. Mit normalen Wanderschuhen oder gar Turnschuhen hätte ich die Rutschpartie nicht aufhalten können.