Hallo an alle,
Ich glaube nicht, dass es bei Pilzen Sinn macht, von "Bastarden" oder "Hybriden zu reden.
Warum?
Um die Sache noch komplizierter zu machen - wir reden ja von 3 verschiedenen Artkonzepten:
biologisches Artkonzept = natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft
morphologisches Artkonzept = Individuen mit (fast) gleichen Merkmalen
genetisches Artkonzept = Individuen mit (fast) gleicher ITS-LSU-Sequenz
Jedes der Artkonzepte liefert etwas andere Ergebnisse, d.h. es gibt Indiviuen mit verschiedenen ITS-Sequenzen, die miteinander kreuzbar sind, Indiviuen mit gleichen Merkmalen, die verschiedene ITS-Sequenzen haben (oder umgekehrt) und so weiter.
Bei Pilzen ist das biologische Artkonzept nur bei wenigen Arten (z.B. den Hallimaschen) erforscht, und bei Mykorrhiza-Pilzen und noch mehr bei Phytopathogenen ist es bisher praktisch unmöglich, über ein Kreuzungsexperiment fertile Nachkommen zu erzeugen. Von einem "Hybrid" zu sprechen, setzt aber voraus, dass man sich über Vater- bzw. Mutterschaft und die Verbreitungsgebiete und Eigenschaften der Eltern im Klaren ist. Es gibt solche Beispiele, z.B. die Hybridpappel, die nachweislich aus einer Kreuzung der Kanadischen Pappel mit der (europäischen) Schwarzpappel hervorgegangen ist. Beide Eltern hatten eine unterschiedliche Fortpflanzungsgemeinschaft (durch den Atlantik getrennt, bis der Mensch kam).
Auch bei Pflanzen hat das biologische Artkonzept seine Grenzen, z.B. bei Weiden oder bei Ragwurzen, bei denen nur historisch bedingt den Extremformen ein Artname zugewiesen wurde, und alle Übergangsformen als Hybride bezeichnet werden. Mit der gleichen Berechtigung könnte man eine große Sammelart mit sehr variablen Merkmalen postulieren.
Oder bei Him- und Brombeeren, die sich fast nur durch Selbstbefruchtung vermehren können, weshalb man jedes Individuum als Art bezeichnen müsste.
"Hybrid" oder "Bastard" ist also ein Begriff aus dem biologischen Artkonzept, das bei Pilzen keine Anwendung findet. Wir erleben dort vielmehr gerade den Wechsel vom morphologischen zum genetischen Artkonzept.
Grüße,
Wolfgang