Hallo,
ich habe gerade diesen Thread entdeckt, und vor allem die hervorragende "Lesehilfe zu Autorenzitaten" von H.-J. Stahl und Eric Strittmatter.
Hierzu hätte ich nur eine kleine Anmerkung zu Punkt 13: "non" denn das Beispiel ist etwas unglücklich meiner Meinung nach, weil es unnötig kompliziert ist und selten vorkommt. Die meisten Homonyme entstehen (bzw. würden entstehen) wenn gültig publizierte Arten umkombiniert werden. Entweder wenn eine Varietät zur Art erhoben wird, oder wenn eine Art in eine andere Gattung gestellt wird.
kurzes Beispiel:
Die weiße Farbform vom Steinpilz heißt Boletus edulis f. (oder var.) albus. Sie gründet sich auf den gültigen Namen Boletus esculentus (var.) albus Pers. Als BON auf die Idee kam, diese Varietät zur Art zur erheben, also zu Boletus albus (Pers.) Bon umzukombinieren, war dies nicht möglich, weil es auf Artebene in der Gattung Boletus schon eine gültige Art albus gab, nämlich Boletus albus Huds. 1762. Weil Bon das natürlich wusste, musste er einen neuen Namen vergeben (nom. nov. statt comb. nov.) um ein Homonym zu vermeiden. Er hat diese weiße Varietät auf Artebene dann Boletus persoonii genannt.
weitere nomenklatorische Überlegungen dazu:
Wer also der Meinung ist, dass reinweiße Steinpilze nur eine Forma sind, der nennt sie
Boletus edulis f. albus (Pers.) J.A. Munoz.
Wer denkt dass diese Pilze eine gute Varietät sind - der kann sie noch umkombinieren, denn es gibt keine gültig veröffentlichte Kombination Boletus edulis var. albus! (Zur Erinnerung: Bei Persoon hiesen diese Pilze ja Boletus ESCULENTUS var. albus).
Wer aber der Auffassung ist, dass weiße Steinpilze eine gute Art sind, der muss sie Boletus persoonii Bon nennen, ganz ausführlich:
Boletus persoonii Bon, Basionym: Boletus esculentus var. albus Pers., non Boletus albus Huds. 1762, nec Schaeff. 1774, nec Huds. 1778 (ja, der hat seine Art später gleich nochmal beschrieben ...), nec Bolton, nec Schank, nec Sowerby, nec Peck, .... - Boletus albus wurde locker 10x von verschiedenen Mykologen neu beschrieben, aber natürlich jedes Mal illegitim, weil Hudson 1762 der erste und damit einzig gültige Boletus albus ist.
Ein etwas längeres) Beispiel:
Der Sommer-Egerling, ursprünglich Agaricus aestivalis (F.H. Moeller) Pilát heißt nun Agaricus albosericellus Gminder (und dabei ist es jetzt unerheblich ob man ihn als Synonym zu A. altipes sieht oder als Art akzeptiert, denn es geht ja um die Gültigkeit ds Namens an sich!). Welcher Historie hat nun dieser Namen hinter sich:
Ursprünglich wurde die Art von Moeller in der damals weit gebräuchlichen Gattung Psalliota beschrieben, und zwar als
Psalliota aestivalis F. H. Moeller 1950
Alles gut, die Art ist gültig beschrieben. Kurz darauf wurde die Gattung Agaricus allgemein anerkannt für alle Egerlinge und Pilát war einer der ersten der in seiner gerade erschienenen Monographie einen ganzen Teil der Arten umkombiniert hat, unter anderem eben auch die Psalliota aestivalis zu
Agaricus aestivalis (F.H. Moeller) Pilát
So weit so gut - wenn es nicht schon längst einen Agaricus aestivalis gegeben hätte, nämlich Agaricus aestivalis Schum. 1803. Was hätte Pilát also tun müssen? Richtig, er hätte einen neuen Namen wählen müssen (nom. nov.). Aber er hat's halt nicht gemerkt dass er da ein Homonym kreiert hat - damals gabs noch kein Index Fungorum und Computers und so ....
Der erste der das gemerkt hat war Stephan Rauschert, er hat dann den neuen Namen Agaricus albosericeus vergeben:
Agaricus albosericeus Rauschert, Basionym Agaricus aestivalis (F.H. Moeller) Pilát, non Schum. 1803
Es hätte alles so schön und richtig sein können, hätte nicht Rauschert übersehen, dass es den von ihm gewählten Namen Agaricus albosericeus auch schon früher gab! Nämlich Agaricus albosericeus V. Brig. 1837. SOmit hat Rauschert also um ein ungültiges Homonym zu korrigeren ein neues Homonym kreiert. Shit happens ....
Das blieb offenbar unbemerkt, sicherlich auch unter dem Einfluss von Nauta, die Agaricus aestivalis/albosericeus als synonym zu A. altipes führt und sich folglich keiner mehr so recht um den Namen gekümmert hat.
Da ich der Meinung bin, dass der Sommer-Egerling ein eigenes Taxon ist, verschieden von Agaricus altipes, und eben kein gültiger Name verfügbar war, habe ich mir im Band 5 der Baden-Württemberg erlaubt, wiederum einen neuen NAMEN zu vergeben - hoffentlich der letrzte jetzt für den armen Sommer-Egerling:
Agaricus albosericellus Gminder 2010
Basionym: Agaricus aestivalis (F.H. Moeller) Pilát 1951, non Schum. 1803
Synonym: Agaricus albosericeus Rauschert 1992, non V. Brig. 1837
Noch komplizierter wird es dann, wenn zu ungültig beschriebenen Arten dann noch Varietäten existieren, denn man kann keine Varietät gültig beschreiben zu einer Art die selbst nicht gültig ist. Man kann sie auch nicht zu dieser Art kombinieren ....
Ich biete gerne an, bei nomenklatorischen Fragen weiterzuhelfen - wer also Fragen/Probleme hat kann mir gerne eine Mail schicken.
beste Grüße,
Andreas