Welche giftigen Pluteus Arten gibt es in Deutschland?

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 321 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Schrumz.

  • Hallo,

    Schwieriges Thema ich weiß, aber ich interessiere mich echt aus mykologischer Sicht dafür. Ich finde immer wieder Dachpilze an Buche, die auf den ersten Blick sehr unscheinbar aussehen. Allen gemeinsam ist allerdings ein auffällig süßlicher, ganz leicht chemischer Geruch, der für mich noch angenehm ist. Nach einer wirklich langen Zeit (oft erst über Nacht) verfärben sich deren Stiele manchmal nur am unteren Teil des Stiels, oft aber auch komplett grün, davor ist meist überhaupt keine Verfärbung sichtbar. Oft trocknen die am Anfang eher bräunlichen Hüte in ein mattes grau ein. Ich habe mal aus Interesse zwei chemisch getestet und es ist in der Tat das Gift von P. salicinus nachweisbar. Alle haben Hakenzystiden und meist sind Schnallen in der Huthaut findbar aber nicht immer. Sie sehen halt teilweise überhaupt nicht wie typische salicinus aus und es scheint ja da doch mehr Arten zu geben als angenommen (in den USA ist salicinus ein größerer Komplex, in Tschechien wurde schon P. izurun nachgewiesen, der das Gift ebenfalls enthält, außerdem geistert ja noch P. cyanopus rum). Kennt sich da irgendwer aus? Das war das erste Exemplar von gestern:

    Beim Eintrocknen wird die Huthaut grau:

    Hakenzystiden:

    HDS (sch... Bild ich weiß):

    Diesen Fruchtkörper habe ich getestet und es ist tatsächlich Ps... nachweisbar.

    Ein kleiner FK in der Nähe (an der gleichen liegenden Buche aber an anderem Stück Holz). Sichtbar ist hier jung eine Riefung des Hutrandes. Auch dieser Fruchtkörper trocknete grau ein und hatte am nächsten Tag deutlich grünliche Verfärbungen an der Stielbasis.

    Ein weiterer, größerer Fruchtkörper aus diesem Jahr, sehr ähnliche Merkmale. Was hier auffällig ist, und auch bei den anderen beobachtet werden kann, ist dass die Hutmitte minimal geschuppt ist.

    Ganz in der Nähe wuchsen letztes Jahr diese Kollegen, bei denen man erkennen kann wie deutlich die Grünfärbung beim Eintrocknen ist:

    Im gleichen Wald finde ich auch regelmäßig andere Dachpilze, die stärker grünen und schon eher wie salicinus aussehen:

    Komplizierter wird das ganze noch dadurch, dass die Dachpilze bei mir gern vergesellschaftet sind. P. cervinus wächst fast immer auch mit am Stamm und auch P. nanus finde ich an diesen Stämmen. Wieviele Arten es tatsächlich sind weiß ich nicht, vielleicht muss ich auch mal sequenzieren. Hatte jemand von euch da schon ähnliche Probleme? Mit dem Schlüssel von Justo et al. komme ich auch irgendwie auf keinen grünen (heh) Zweig.

    Viele Grüße

  • Hallo,


    Dachpilze mit Hakenzystiden gibt es eigentlich nicht soooo viele.

    Allerdings ist die salicinus-Gruppe in Europa noch nicht fertig bearbeitet.


    Pl. cyanopus, glaucotinctus und izurun haben aber keine Hakenzystiden (obwohl sie phylogenetisch in die sect. Pluteus gehören).

    Hast du das Paper dazu? https://www.researchgate.net/p…ntinental_species_complex

    Da wird auch der Nachweis von Psilocybin erwähnt. Ob es noch andere giftige Arten in Europa gibt, weiss ich nicht.

    In den meisten taxonomischen Studien gibt es halt keine Analysen zu Giftstoffen.

    Deshalb ist das Vorhandensein des Giftes vermutlich keine Hilfe, um die Art zu bestimmen.


    Eine Sequenzierung schadet nie...


    LG Raphael

  • Danke dir,

    das Paper habe ich noch nicht gesehen, aber das hilft ja schonmal. Ich hatte bloß im Kopf, dass die Gruppe in sect. Pluteus ist und dachte dass die deshalb auch Hakenzystiden haben. Ich kann halt immer noch salicinus s.str. nicht ausschließen aber dann wäre das morphologisch schon ein echtes Chamäleon. Justo et al. haben die grünen Verfärbungen in ihrer Arbeit zur sect. Pluteus mit drin, bezeichnen da aber sowie ich das sehe nur ein paar aus der salicinus clade als positiv. Irgendwo anders wird der brunneidiscus clade allerdings auch psilocybin zugeschrieben und damit sollten dort auch Verfärbungen möglich sein. Morphologisch könnten die durchaus auch zu der clade gehören. Ich habe das noch nicht erwähnt, aber ich halte durchaus auch für möglich, dass hier salicinus und eine weitere grünverfärbende Art gemischt vorkommen; erstens morphologisch, zweitens aber auch wegen der Schnallen in der HDS und weil die dunkler graueren Exemplare meist sehr auffällige, gegabelte Hakenzystiden haben:

    Hilft wohl nix, muss ich wohl mal was sequenzieren lassen.

    Viele Grüße

  • Wobei nach dem Paper im glaucotinctus Komplex bei zum Beispiel P. izurun durchaus auch Hakenzystiden auftreten können. Wenn ich mir zum Beispiel diese Beobachtung anschaue: https://www.inaturalist.org/observations/31456079 ist der Hut jung zwar etwas heller, gerade die Exsikkate sehen aber 1 zu 1 wie meine aus. Auch die schuppige Hutmitte würde zu diesem Komplex passen. Spannend.

    Viele Grüße

  • hm, wo liest du das mit den Hakenzystiden? Es kann Pleurozystiden mit kleinen apikalen Auswüchsen geben, aber die sind trotzdem dünnwandig, und gelten nicht als Hakenzystiden. Vielleicht eine Übergangsform in der Evolution? Keine Ahnung.

    Auf deinem Mikrobild im ersten Beitrag sieht man deutlich eine dickwandige Hakenzystide wie es das bei salicinus gibt, aber eben nicht bei der glaucotinctus-Gruppe.

    Auf dem Bild im zweiten Beitrag sieht man zwei Hakenzystiden "von oben", zu erkennen sind vier Haken (teilweise sogar gegabelt), nicht nur kleine Auswüchse am Apex.


    Hier zum Vergleich von einem typischen salicinus, da sieht man auch die dicken Wände:



    Natürlich ist das anhand einer einzelnen Zystide schwierig zu beurteilen, Ausnahmen kann es immer geben.

    Wenn du noch Material hast, könntest du noch ein paar Präparate machen. Wenn die dickwandigen Hakenzystiden häufig sind, kann es eigentlich nicht izurun sein.

    Idealerweise einen Lamellenschnitt, dann sieht man die Pleuros besser.


    Auf jeden Fall spannend, du solltest unbedingt da dran bleiben und beides sequenzieren lassen.

    Denkbar, dass da noch eine unbeschriebene Art versteckt ist, die immer leichtfertig als salicinus abgelegt wurde.

    Oder eine der aussereuropäischen Arten ist weiter verbreitet als bisher bekannt ist.


    Angeblich soll 2027 endlich eine Pluteus-Monographie mit all den neu beschriebenen Arten herauskommen.

    Jetzt ist also der richtige Moment, um kritische Kollektionen genauer anzuschauen.

    Wenn bei der Sequenzierung nichts triviales herauskommt, sind die Autoren oft interessiert an gut dokumentierten Kollektionen.


    Oder du kontaktierst einen Spezialisten wie Alfredo Justo, vielleicht kann der das ohne Sequenzierung klären.

    Allerdings brauchst du dafür bessere Mikrobilder, Sporenstatistik usw.


    LG Raphael

  • Ok sorry dann lag da ein Missverständnis vor, ich habe wenig deutsche Literatur und dachte das läuft auch noch unter Hakenzystide. Ich bin auch ein wenig am "learning by doing" da ich aktuell wenig Mittel für Spezialliteratur oder Mikrokurse habe, von daher auf jeden Fall vielen Dank für die Klarstellung. Ich habe noch Exsikkate und könnte da auch noch mehr Präparate anfertigen, oder ich lege mal einen den Krieglsteiners vor wenn ich die hier mal zur richtigen Zeit erwische.

    Viele Grüße