Hallo Kerstin,
zum Thema Kindergarten und Pilze hatte sich Prof. Siegmar Bernd, Giftpilzbeauftragter der DGfM, 2013 im DGfM-Forum geäußert.
Ich denke, das ist ganz interessant, weswegen ich den Beitrag an dieser Stelle gern einfüge.
Pilze im Kindergarten Prof. Siegmar Bernd, DGfM Forum, 01.11.2013
Ich bin aufgefordert worden, auf die Frage von Jürgen, ob überhaupt Pilzvergiftungsfälle in Kindergärten vorkommen, zu antworten:
Ja, es gibt Berichte über leichte, aber auch sehr schwere Vergiftungen. Jeder Pilzberater und PSV kennt das Problem mit aufgeregten Müttern und Erzieherinnen, wenn Kleinkinder Pilze (wie viele?) roh gegessen oder nur in den Mund gesteckt haben, eine Frage, die oft offen bleibt.
Eine Statistik über Pilzvergiftungen in Kindergärten, Kitas und Hausgärten gibt es nicht.
Das Risiko einer schweren Vergiftung eines Kindes mit Pilzen ist klein, sollte aber nicht unterschätzt werden. Kleinkinder sind kritischer zu sehen als Erwachsene, da ihr Organismus empfindlicher reagiert. Eine für einen Erwachsenen ungefährliche gastrointestinale Symptomatik infolge Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes nach Erbrechen und Durchfall, kann ein Kind rasch in eine bedrohliche Situation bringen.
Für einen 2009 gehaltenen Vortrag habe ich meine eigenen Fälle aus 2006 bis 2008 zusammen gestellt: Unter 24 Ereignissen mit Kindern zwischen 11 Monaten und 7 Jahren, im Mittel 1,5 - 3 Jahre, waren 4 Kinder mit gastrointestinalen Beschwerden, ausgelöst durch Gesäte Tintlinge, Dünnschalige Kartoffelboviste und Heuschnittdüngerlinge und 1 Kind mit heftiger allergischer Reaktion, ebenfalls nach Gesäten Tintlingen.
Eine sehr schwere Amanitinvergiftung meldete 2010 Frau Lotz-Winter : Einem 1,5 jährigen Mädchen hatte seine Mutter noch ein Stückchen eines Schirmpilzes (Lepiota, Sekt. Stenosporae) aus dem Mund entfernt, der von einer Gartenwiese stammte. Aber auch ältere Kinder kosten Pilze! Der PSV Horst Staub schrieb mir von einem 10 3/4 Jährigen, der ein kleines Stück vom Hutrand eines Grünen Knollenblätterpilzes, im Hausgarten gewachsen, abgebissen hatte. Diese geringe Menge, nach Herrn Staub nicht mehr als eine Messerspitze, verursachte einen Abfall der Blutgerinnungswerte, Anstieg von Bilirubin und Nierenwerten bei positivem Nachweis von Amanitin im Urin.
Frau Rosemarie Kießling, PSV, berichtete über eine ungewöhnlich schwere Vergiftung aus den 1970er Jahren mit 5 Kindern, die zu früh in den Kindergarten gekommen, unbeaufsichtigt Gemeine Kartoffelboviste verzehrt hatten.
Im Mai diesen Jahres meldete mir Frau Kießling, dass eine Kita in Bautzen, wie bereits vor 2 Jahren, wegen "Rauschpilzen" gesperrt wurde und 4 Kinder in ein Krankenhaus kamen.. Die PSV konnte Bittere Kiefernzapfenrüblinge und die Psilocybin haltigen Düngerlinge Panaeolus fimicola und P. sphinctrinus bestimmen.
Erst vor wenigen Tagen brachte mir Kindergartenpersonal Hallimasch, Grünblättrige Schwefelköpfe und auf Rindenmulch gewachsene Gifthäublinge. Hier habe ich dringend zu täglichem Absammeln geraten.
Weitere kritische Arten sind Risspilze, kleine weiße Trichterlinge, Nelkenschwindlinge (für Krabbelkinder), Blauverfärbende Kahlköpfe (in Ausbreitung auf Rindenmulch begriffen) u.a.
Der zu Rate gezogene PSV kommt nicht umhin, die meist kleinen braunen Pilzchen gründlich zu untersuchen, auch wenn es sich überwiegend um unkritische Arten handelt
Viele Pilzberater und -sachverständige bewegt die Frage, was im konkreten Fall zu raten ist. Aus meiner eigenen Erfahrung mit seit Jahren unternommenen Waldspaziergängen mit Waldkindergartenkindern und jungen Schülern stimme ich mit den Ratschlägen von Tanja überein.
Das richtige Vorgehen ist immer eine Frage der Aufsichtsmöglichkeiten und der Pilzkenntnissen der Erzieherinnen, dem Alter der Kinder rund den besonderen örtlichen Gegebenheiten. So rate ich auch, Rasenflächen auf denen sich Krabbelkinder bewegen, die noch alles in den Mund nehmen, regelmäßig, mindestens einmal täglich, von Pilzen auch von unverdächtigen Arten, abzusammeln. Bitterer Geschmack hindert Kinder meistens nicht die Pilze zu essen.
Um zu einer Statistik über Pilzvergiftungen in Kindergärten, Kitas und Hausgärten zu kommen, appelliere ich erneut an alle Pilzberater und PSV ihre Fälle, auch wenn nichts passiert ist, zu melden.
PS. Vielleicht sollte weniger gemulcht werden? Zumindest in Kindergärten.
LG Nobi