Hallo,
in der Tat ein interessanter Beitrag. Soweit ich weiß, haben Pilzarten weit weniger Chromosomenpaare als Menschen. Gene sitzen ja auf der DNA und setzen die Erscheinungsform eines Organismus fest. Sie können mutieren, bestimmte Stellen der DNA können rausgeschlagen werden, oder aber bestimmte Abfolgen von C-G-T-A usw. können eingefügt werden, wo vorher keine waren. Dadurch verändert sich die Sequenz der DNA, die Abfolge der Basenpaare, und es entstehen neue Typen von Genen, die wiederum andere Erscheinungsformen bewirken. Bei Pilzen wird diese "Mutation" sehr häufig vorkommen, daher auch die Variabilität der Fruchtkörper. So sind Pigmente z.B. von Scutellinia scutellata, die für die Rotfärbung des Hymeniums sorgen, im Grunde nichts anderes als riesige Moleküle, deren Entstehung von einem Gen auf der DNA "befohlen" wurde. Wenn jetzt ein bestimmter Faktor A diesen Vorgang blockt, so kann man von S. scutellata immer wieder völlig weiße Fk vorfinden (wir hatten dieses Phänomen bereits im Bergischen Land, bei Scutellinia crucipila).
DNA ist also wichtig für die Ausprägung von Merkmalen, die man wohl zum größten Teil makro- oder mikroskopisch erkennen kann. Es gibt aber leider auch Gene, die "schlummern", also keine Merkmalsausprägung hervorrufen und 2 verschiedene Arten aussehen lassen als wären sie identisch.
Wo man nun die Taxonomie, mit der ich mich intensiv beschäftige, ansetzen muss, ist in der Tat nicht zentral geregelt, sondern obliegt dem Einschätzen der Wissenschaftler. Wenn jemand eine neue Gattung, beispielsweise die Gattung Palmicola, ein palmenbewohnender Schlauchpilz aus Südostasien, der erst anfang der 90er von K. Hyde beschrieben wurde, aufstellt, dann muss er in dem entsprechenden Aufsatz auch begründen, wie er dazu gekommen ist, und warum die Art, die als Typusart bezeichnet wird, eine für die Begründung einer neuen Gattung ausschlaggebende Merkmalskombination hat.
Die Gattung Palmicola wird aufgrund ihrer Merkmale in die Familie Lasiosphaeriaceae gesetzt. Die Familie Lasiosphaeriaceae zeichnet sich durch oft abgewinkelte, hyaline oder blass braune Sporen, einen IKI- Ascus sowie durch kleine, oft massig in Gruppen wachsende Fruchtkörper aus, die Holz oder Dung besiedeln (selten auch Monokotyledonen). Die Familie ist somit abzugrenzen von zB der Sordariaceae, deren Arten schwarzbraune, oft kugelige oder ovale Sporen mit Keimporus besitzt oder von Chaetomiaceae, deren Fruchtkörper mit wolligen Haaren, die meist gekräuselt sind und stark abstehen, besetzt sind.
Ich habe bei den Ascomyceten lange gebraucht, um die Familien klar zu strukturieren. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten die Erfahrung gemacht, dass ich auch außereuropäische Arten, die ich vorher nie gesehen habe, korrekt in eine Familie einordnen kann. Für jede einzelne Familie gibt es bestenfalls ein eindeutiges Muster, eine Merkmalskombination, wie z.B. schwarzbraune Sporen mit amyloidem Apikalapparat und meist spröden Fruchtkörpern führt in die Familie Xylariaceae.
Ich glaube aber nicht, dass ich die Frage, wie man eine Familie oder eine Gattung jetzt ansetzt oder nicht, beantworten kann. Ich kann auch die Frage nach der Regel, ab wann man von einer Art sprechen kann, nicht genau klären. Dafür gibt es einfach zu viele individuelle Einzelfälle, wie man am aktuellen Beispiel Trichodelitschia bisporula vs. T. minuta aus dem Dungforum wieder sehen kann.
Für eine Übersicht über die Ordnungen und Familien empfehle ich unbedingt auch meine Webseite, deren Arten sehr bald nach diesem Schema einsortiert werden. Für die Sordariomycetes habe ich die Ordnungen bereits eingefügt.
lg björn