Flechten am Albtrauf

  • Hallo zusammen!


    Wieder einmal zog es mich nach Süden auf die Alb.

    Etliche schöne Funde und Erstfunde wurden gemacht, von denen ich hier gerne einge zeigen und zur Diskussion stellen möchte.


    Bild 1 Holz, Steine, Luft und Erde


    Bild 2 Herrliche, lichte Wälder am Albtrauf bieten einer großen Anzahl Arten Unterschlupf.

    Viele der Flechten sind winzig klein und vor Ort nur mit der Lupe zu entdecken.

    Sie verstecken sich im Moos und den Ritzen rissiger Baumborke.

    Doch sie aufzuspüren und ihren Farb- und Formenreichtum zu erkennen, macht große Freude.


    Bild 3 Winzige, zinnoberrote Fruchtkörperchen von Blastenia cf. herbidella (200-400µm Durchmesser).

    Diese Flechte stammt aus der großen, mittlerweile aufgespaltenen Gattung Caloplaca und verrät sich u.a. durch ihre ringförmige C+ rote Farbreaktion auf der Innenseite des Excipulums.

    Der Thallus ist graugrün und kleinkörnig.

    Ursprünglich hatte ich hier Bacidia rubella erwartet, der sie makroskopisch zum Verwechseln ähnelt.


    Bild 4 Eine weitere, wesentlich auffälligere Kruste aus der Gruppe der Caloplacen direkt auf Laubbaumborke:

    Die seltene Solitaria chrysophthalma mit dünnem, weißgrauem Thallus ist an den grüngelben bis schwefelgelben Soralen und den gelborangen Apothecien erkennbar.

    Alle gelben Teile enthalten Anthrachinone und reagieren deshalb K+ purpurrot.


    Bild 5 Eichen, Eschen, Rotbuchen, Bergahorn, Feldahorn, ... eine schöne Mischung


    Bild 6 Tiefer im Wald an schattiger Stelle finden sich alte Bekannte.

    Die freiligenden Wurzeln einer Rotbuche sind von olivbrauner Pyrenula nitida mit schwarzen Perithecien, von weißgrauer Graphis scripta und einer unbekannten Fleckflechte überzogen.


    Bild 7 Diese alte, tiefrissige Esche ist nicht nur von Moosen bewachsen.

    Sie bietet allerhand kleine Überraschungen...


    Bild 8 Bei genauer (!) Suche sind kleine, bräunliche und becherförmige Apothecien (< 400µm) von Gyalecta truncigena im Moos und auf der angrenzenden Borke erkennbar.

    Im Foto zwischen Trentepohlia und Moos erkennbar.

    Ihre Sporen sind spindel-/tropfenförmig und (sub)muriform.


    Bild 9 Wenige Zentimeter weiter eine Bacidia mit querseptierten, stäbchenförmigen Sporen.

    Ich vermute stark Bacidia subincompta.


    Bild 10 Pfad entlang des Albtraufs


    Bild 11 Eine Eiche bietet dieser pyrenocarpen Flechte Wohnstatt.

    Die feinwarzigen, zweizelligen Sporen und die langen, zylindrischen Schläuche gehören einer Acrocordia.

    Offensichtlich eine A. gemmata aufgrund der Sporengröße von 23-26 x 10-13 µm.


    Bild 12 Draußen vor dem Wald liegen Kalksteinfelsen mit anderem Flechtenbewuchs.


    Bild 13 Eine tief orange Variospora zusammen mit einer kleinen, weißen Diplotomma cf. alboatrum mit ihren bläulich-weiß bereiften Apothecien.


    Bild 14 Leproplaca cirrochroa, der "Zweifarbige Schönfleck" an lichtoffner Stelle.

    Eigentlich sehe ich sogar drei Farben in drei konzentrischen Zonen:

    ganz außen die stark bereiften, hellen Lappenenden; weiter innen weniger Reif, dadurch oranger Thallus; im Zentrum gelbe Sorale.


    Bild 15


    Bild 16 Am Stamm einer dicken, alten Linde eine schöne gelbe Flechte.

    Polycauliona ist sicher.

    Ich würde Polycauliona ucrainica aufgrund der aufsteigenden gelb-grünen Thallusschüppchen vermuten, bin mir aber nicht sicher.


    Bild 17 Im Schatten unterhalb an einer Vertikalfläche eines Kalksteinfelsens die lange gesuchte Petractis clausa.

    Sehr leicht an den sternförmig sich öffnenden Apothecien erkennbar.


    Bild 18 Hübsch bewachsener Ast mit einer Vielzahl Arten


    Bild 19 Eine überaus krause Cyanoflechte, die nass die Farbe und Transparenz von grünem Flaschenglas annimmt.

    Unter der Lupe lassen sich an einigen Stellen läppchenartige Auswüchse erkennen.

    Damit sollte es sich um eine Blennothalloia crispa handeln - eine "Krause Leimflechte".

    Gleichwohl der Thallus groß ist, ist er (noch) steril, bildet aber viele kleine Ansätze von Apothecien an den Lappenrändern.


    Bild 20 Eine weitere Caloplaca auf sonnigem Kalk zwischen grau-brauner Lobothallia..


    Und zum Schluss ein interessanter Fund auf einer physcioiden Blattflechte, gefunden am dunklen Stamm eines alten, großen Feldahornbaumes auf freiem Feld.

    Bild 21 Orange, beerenförmige Objekte, die ich zuerst für Apothecien einer lichenicolen Pilzspezies halten wollte.

    Die dunklen Pünktchen hätten Sporen sein können.

    Tatsächlich handelt es sich scheinbar um kugelige Ansammlungen von Pilzen / Hefen, Algen, Cyanobakterien und Bakterien in einer häutigen, dünnen Membran in Form gehalten - ganz ähnlich dem Roten Schleimfluss.

    Das Gewicht des Deckglases genügt, um die Strukturen platzen zu lassen und orange Schwaden von winzigen Baktererien freizusetzen.

    Vielleicht ist der Schleim von weiter oben am Baum auf die Flechten getropft?


    LG, Martin