Hallo!
auf einem abgestorbenen, noch am Baum befindlichen Weidenast in der Nähe von Mössingen fand ich eine lecanorine Krustenflechte mit honiggelben Apothecienscheiben und weißen, körnig-warzigem Thallus.
Die Flechte sieht erstmal ganz harmlos aus, hat mich dann aber länger im Kreis drehen lassen!
Bild 1 Fundbaum in Bildmitte, auf Kalkstein-Schotterflächen am Albtrauf (um 710 m üNN)
Ich hätte den Baum als Weide eingeordnet, bin mir da aber nicht sicher.
Ein Blick nach oben in die Krone verrät sicher mehr zur Baumart.
@Thorwul, du scheinst doch die Baumarten gut zu kennen. Ich lerne gerne dazu. Was ist deine Meinung?
Bild 2 Blick in Baumkrone
An einem der unteren, abgestorbenen und trockenen Äste konnte ich diese Flechte beobachten, eine weiße Lecanora, eventuell L. chlarotera.
Da sie etwas komisch wirkt, habe ich ein Stückchen vom Ast mitgenommen.
Bild 3a/b Lecanorine Flechte mit weißem Thallus und honiggelben Apothecien
Bild 4 Der weiße Apothecienrand scheint aufzuplatzen und sich in zwei Ringe zu teilen (?).
Der äußere Ring ist sehr spröde und springt ab, wenn mit der Nadel berührt.
Betrachtet man den Querschnitt unter polarisiertem Lich (Bild13), wird klar warum.
Der Außenbereich der Apothecien besteht fast nur aus (Oxalat-)Kristallen.
Bild 5 Der Thallus ist dünn mit weißen Warzen
Bild 6 Farbreaktion mit 30% KOH: K+ gelb
Bild 7 Farbreaktion P+ gelblich (Bildmitte und rechts)
Bild 8 Keine Farbreaktion C- (Bildmitte)
Bild 9 Farbreaktion KC: wie K, auch nach C-Zugabe - unveändert gelb
Es gibt Bereiche unterschiedlich intensiver Färbung der Apothecienscheiben
Bild 10 Apothecien bis knapp 1 mm Durchmesser, Scheiben hellocker - hellbraun
Bild 11 Verfärbungen können auch innerhalb eines Apotheciums auftreten.
Sie können aber auch verschwinden:
Bild 12 Querschnitte durch das angefeuchtete Apothecium (Rest noch trocken).
Der zuvor etwas bräunliche Bereich verschwindet jetzt im feuchten Zustand!
Bild 13 Querschnitt in polarisiertem Licht: Große Kristallhaufen im Apothecienrand und im Mark unterhalb der Algenschicht.
Die Kristalle sind groß, bis ca. 50µm. Rand rechts mit Algen, links ohne.
Excipulum/Mark vom Pulicaris-Typ.
Bild 14 Das Epihymenium ist bräunlich mit einer feinen Kristallauflage (polarisiertes Licht).
Die Kristalle dringen nicht bis ins Hymenium ein => Epihymenium vom Chlarotera-Typ
Bild 15 Die Kristalle des Epihymeniums sind in KOH löslich, das Epihymenium entfärbt sich bei KOH-Zugabe.
Keine weiteren Farbreaktionen.
Bisher nichts wirklich Ungewöhnliches für eine Lecanora... die Auswahl schränkt sich langsam ein.
Aber natürlich sind auch die Sporengrößen von Belang!
Nach kurzer Suche ich finde zu meiner Irritation 2-zellige Sporen, und zwar ausschließlich:
Bild 16 Frei schwimmende Spore, 2-zellig oder 1-zellig mit 2 Guttulen?
Ein Einfärben des Cytoplasmas sollte den Unterschied kenntlich machen.
Die Sporen sind typisch 10-11 x 6 µm groß
Bild 17 8-sporige Asci; Lactophenol-Anilinblau-Färbung färbt das Cytoplasma blau/violett ein.
Aus der Farbstoffverteilung folgt: die Sporen sind 1-zellig und besitzen 2 Guttulen!
Die Gattung Lecanora scheint also richtig zu sein.
Solche Sporen habe ich aber bei Lecanora noch nicht beobachtet - etwas irritierend...
Letztlich lande ich jetzt beim Schlüsseln bei der guten, alten Lecanora chlarotera.
Die komischen Sporen sind bei Italic sogar im Bild dokumentiert (vgl. letzte Fotos).
LG, Martin