Erdflechtenfund am mittleren Neckar - unbereifte Catapyrenium cinereum?

  • Hallo zusammen,


    ich habe Probleme mit der Bestimmung von Erdflechten, die ich vorgestern auf feinem, mineralischem Lössgrund auf einer sonnigen Weinbergsmauer gefunden habe.

    Über eure Meinung und Anregungen zur Artbestimmung würde ich mich freuen.


    An einer nicht ganz vertikalen Stelle ist die westausgerichtete Mauer mit fein-pulvrigem Erdüberzug versehen und dick mit mehreren Arten Erdflechten bewachsen:

    Bild 1 Weinberg am Neckarmittellauf


    Bild 2 Erdflechtengesellschaft auf erdüberkrusteter Stelle der Weinbergmauer. Stellenweise freiligender Kalkstein (hellgrau) und freiligende Erde (beige-ocker).

    Der Rest sind Flechtenmatten.


    Es gibt Stellen mit bläulich-weißen Schuppen, deren Ränder aufsteigen und dunkle Soredien bilden, offensichlich Acarospora moenium;

    es gibt eine discocarpe Schuppenflechte (vor Bestimmung - auch nicht einfach...) und weiter eine hier besprochene, braue Schuppenflechte, gelbe Einsprengsel und andere mehr.


    Diese pyrenocarpe Flechte bereitet mit derzeit Kopfschmerzen:

    Bild 3 Pyrenocarpe Schuppenflechte


    Bild 4 Die Schüppchen sind konvex, sie sitzen nebeneinander und überlappen nicht

    Die Schuppen sind zentral schwarz, rau, rissig => tatsächlich Perithecienmündungen.


    Bild 5 Schüppchen rundlich kompakt, Ränder leicht gekerbt


    Eigenschaften:

    Es handelt sich um kleine (< 1mm bis 1,5mm), nicht überlappende, olivbraune Schuppen mit flächenständigen Perithecien.

    Nicht bis schwach bereift, Ränder dicht am Substrat anliegend.

    Farbe olivbraun, ins Grüne spilend.

    Die Ränder sind nicht dunkler als die Fläche, keine Härchen am Rand. .

    Die Perithecien sind vollständig eingesenkt.

    Angefeuchtet grünen die Schuppen.


    Bild 6 Querschnitt durch konvexe Schuppe mit langem Büschel Rhizohyphen (siehe Bildeinsatz) mit anhaftendem Substrat


    Bild 7 Querschnitt in Wasser unter Auflicht; Thallus über gesamte Dicke (200-300 µm) pseudoplecktenchymatisch gebaut, d.h, aus rundlichen bis polyedrischen Zellen.

    Grünalgenzellen trebouxioid.


    Bild 8 Querschnitt einer anderen Schuppe in Wasser.

    Oben Trebouxia und darunter orange Zellen (Trentepohlia??) im Thallus.

    Der Übergang ist fließend, die Haftfasern befinden sich erst unterhalb der orangen Zellen.


    Irritierend finde ich die kräftig purpurne Farbreaktion der orangen Thallusabschnitte mit KOH:

    Bild 8b Gleiche Stelle nach KOH-Zugabe


    Der dünne obere Cortex (um 10µm dick) ist bräunlich und geht direkt in die Algenschicht über.

    Die Markzellen sind weiß.

    Die Unterseite wird von einigen Lagen hellbrauner, runder Zellen abgeschlossen.

    An der Unterseite schließt sich ein langer Bart aus dünnen Rhizohyphen an - in Bild 5 wegen der enthaltenen Sandkörner abgeschnitten.

    Ich meine farblose Rhizohyphen zu sehen.


    Die Perithecien sind an der Mündung schwärzlich, das Excipulum an der Unterseite nur leicht gebräunt.

    Die Schläuche sind dick und keulig, sie enthalten 8 Sporen in 2 Reihen.

    Bild 9 Perithecium mit je 8 Asci; Sporen elliptisch, 1-zellig; Größe 11,5-17 x 7,5-8,5 µm


    Die Hymenialgallerte reagiert in Lugol blau.


    Wirth/Hauck/Schulz verweisen bei schuppigen, pyrenocarpen Flechten auf Erde mit 1-zelligen Sporen auf Catapyrenium im Catapyrenium-Gesamtschlüssel.

    Dort werden Catapyrenium (Perithecien in die Schuppen eingesenkt, Sporen in keuligen Asci) neben Involucropyrenium (Perithecien zwischen den Schuppen) und Placidiumarten (dicke Rinde, deutlich von Algenschicht abgesetzt, zylindrische Asci) behandelt. Makroskopisch ähnlich ist Endocarpon, deren Arten gemauerte, vielzellige Sporen besitzen.


    Ich gelange zügig zu der Frage nach der Pigmentierung der Rhizohyphen, wo ich hell wählen möchte.

    Jedoch geht die Wahl mit zylindrischen, einreihigen Asci einher, was sicher nicht stimmt.

    Für mich ein Widerspruch, denn nur dunke Rhizohyphen passen mit den restlichen Beobachtungen zusammen (dünne Oberrinde, keulige Asci, Sporen zweireihig).


    Es bleibt die Wahl zwischen C.cinereum, C. psoromoides (auf Laubbaumrinde), C. daedaleum (Ökologie ähnlich C. cinereum, seltener, meist alpin), alle mit dunklen Rhizohyphen.

    Für C. cinereum sind mir die Schuppen zu schwach bereift - was aber möglich sein soll.

    Von den beiden anderen Catapyreniumarten käme aufgrund der Ökologie nur C. daedaleum in nähere Betrachtung.


    Ich entscheide mich für C. cinereum als Arbeitshypothese, obwohl meine bisherigen, bestimmten Funde und die Flechte in Büchern und auf einschlägigen Seiten immer stark weiß bereifte Schuppen zeigen.


    Letztlich überzeugt mich die Bestimmung mich nicht, zumal die purpurne Farbreaktion mit KOH gar nicht ins Bild passen will.

    Was meint ihr zu dieser Schuppenflechte? Hat jemand eine Idee?


    LG, Martin