Eine Peltigera → P. (neo)polydactyla

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 2.085 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kruenta.

  • Hallo allerseits, von einer kleinen Insel aus dem Moor habe ich mir diese Peltigera mitgebracht, zu der mir nichts einfällt. Die Fotos zeigen einen feuchten, aber keinen nassen Zustand. Auf einer bemoosten Espe in etwa 0,5 m Höhe. Isidien und Sorale scheinen mir nicht vorhanden. Die klassischen Apothecien sind abwesend, aber dafür ist die Kante der Lappen mit roten Gnubbeln (Mini-Apothecien?) besetzt.



    Danke für eventuelle Vorschläge. Die 16 Arten, die es in Litauen zu geben scheint habe ich mir ausführlich in Bildern angeschaut, da macht es nirgends Bingo ...


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd!


    Ich probier's mal mit dem Wirth'schen Schlüssel:


    Peltigera ist gesetzt, aber blöderweise hat dein Peltigera noch keine A. entwickelt und ist daher besonders schwierig einzusortieren.


    Kennzeichen: Nur Blaualgen, keine Sorale, Oberseite glatt, ohne Filz, Unterseite geadert, nicht durchgängig weiß, keine horizontale Apothecienscheiben, ...

    jetzt müsste man beim Schlüsseln die Rhizinienlänge wissen, tippe mal < 5mm (sonst P. neopolydactylon)

    Unterseite mit flachen braunen Adern und ovalen weißen Flecken dazwischen, Oberseite am Rand nicht bereift

    => P. polydactylon (Adern bis zum Rand dunkel, Rand wellig-kraus) oder P. horizontalis (Adern am Rand weiß, Rand nicht wellig-kraus).

    Da der Rand der Unterseite inkl. der Adern weiß ist, würde ich eher zu P.horizonatalis tendieren.

    Der Schlüssel ist aber für Deutschland, ob es da bei dir noch weitere Peltigeren, die der Schlüssel nicht erfasst, geben könnte, weiß ich leider nicht.


    Vergleiche doch mal mit einer jungen P.horizontalis.


    LG, Martin

  • Hallo Martin, vielen Dank, ich hab leider keinen Schlüssel. Einige der Rhizinen erreichen durchaus 6 mm. Da mache ich morgen, wenn es wieder Licht gibt, noch Fotos von. Die Adern sind jedenfalls nicht bis zum Rand dunkel und den Rand würde ich auch nicht als kraus bezeichnen. Das Bäumchen, wo der wuchs, werde ich sicher erneut aufsuchen und dann gibt es vielleicht Apothecien, aber die kommen wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahr. Mit der abweichenden Form der Apothecien wäre das dann einfacher.


    Bisher hatte ich P. degenii als am wenigsten unwahrscheinlich in Betracht gezogen. Ist die in Deinem Schlüssel drin? Wenn ja, wäre es gut zu erfahren, wo man da abbiegen müsste, und ob die ausgeschlossen werden kann. Bei P. horizontalis (die wäre hier sehr selten und ist in der Roten Liste mit 3...5 Vorkommen) sollten die Rhizinen regelmäßig in "konzentrischen Kreisen" so etwa in Bezug auf den Wuchsursprung angeordnet sein. Das könnte halbwegs stimmen, auch dazu reiche ich Bilder nach.


    Die Checkliste für Litauen umfasst

    Peltigera aphthosa

    Peltigera canina

    Peltigera degenii

    Peltigera didactyla

    Peltigera extenuata

    Peltigera hymenina

    Peltigera horizontalis

    Peltigera lepidophora

    Peltigera malacea

    Peltigera membranacea

    Peltigera neckeri

    Peltigera polydactyla

    Peltigera ponojensis

    Peltigera praetextata

    Peltigera rufescens

    Peltigera venosa


    Noch ein Bild von heute, am Hof, P. ponojenis mit Pilzbewuchs, geht eventuell in Richtung

    Corticifraga fuckelii


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    P. degenii ist auch enthalten.

    Bei ihr steht: Th. auch un der Mitte unterseits crèmeweiß und Adern weiß bis gelbbraun. Auf deinem dritten Bild sind aber dunkelbraune Adern zu sehen. Zudem sind bei ihr die Rhizinien überwiegend einfach und weißlich bis bräunlich, passt auch nicht so recht.


    Wer weiß?


    LG, Martin

  • Ferner habe ich einem Schlüssel für dich aufgetan, der helfen könnte.

    Peltigeren Nordamerikas, enthält mehr Arten als der Europäische Schlüssel von Wirth, nur P. aphthosa, P. monticola fehlen

    Goward et al. - Synopsis of the genus Peltigera (lichenized Ascomycetes) in British Columbia, with a key to the North American species.


    LG, Martin

  • Hallo Martin, vielen Dank, das ist hinreichend schwerwiegend, um P. degenii auszuschließen.


    Die Flechte ist jetzt noch etwas trockener und hat, wie ich finde, schon einen Stich ins Bläuliche.

    Inwieweit die Rhizinen jetzt "regelmäßig" oder "unregelmäßig" angeordnet sind, wage ich nicht zu beurteilen.

    Etwas einfacher ist das mit der Länge der Rhizinen, das kann man einfach messen, die längsten erreichen 7 mm. Die äußeren, die ganz weißen sind viel kürzer.

    Damit wäre dem Schlüssel genüge getan. Soweit ich sehe wurde P. neopolydactylon (-tyla) 1932 beschrieben und wird teils als ssp. zu polydactylon (-tyla) gehandelt. Und unterscheidet sich von horizontalis durch ganz andere Apothecien.


    LG, Bernd

  • Hallo Martin, danke für den Schlüssel, danach habe ich bisher vergeblich gesucht - ich komme hier bis 31 und weiß dann nicht weiter. Muss ich mal in Ruhe studieren, etliche der Fachbegriffe sind neu für mich.


    LG, Bernd

  • Hallo allerseits,


    mittlerweile war ich erneut vor Ort und habe auch einen Flecken mit reichlich aufrechten Apothecien gefunden. Zudem ist Wirth et al. endlich angekommen.

    Mit diesem Schlüssel komme ich, wie auch Martin, zu P. neopolydactyla. Mehr oder weniger identisch ist auch der französische Schlüssel hier https://www.afl-lichenologie.f…eltigera_polydactylon.htm


    Dunkle Adern gibt es nur zur Mitte hin, nirgends bis an den Rand reichend. An fast allen Lappen gibt es Rhizinen, die 7 mm oder länger sind. Die Lappen sind vielfach deutlich über 2 cm breit.


    1) Biotop

    2) Der Fleck (~25 cm) mit reichlich Apothecien - keine Ahnung wie ich den neulich übersehen habe ...

    Das zeigt deutlich die Namensherkunft gr. polydactylon "vielfingrig"


    3) Ein Fleck, seitlich, südexponiert wachsend, der alt oder befallen wirkt, ohne Apothecien, mit Rhizinen nur bis 4 mm lang, scheint mir aber dennoch zur gleichen Art zu gehören.

    4) Ein Fleck (~10 cm), der besonders jung und frisch wirkt, ohne Apothecien, mit sehr kräftigen und langen Rhizinen

    Ingo ( Sennepilz ), würdest Du trotzdem polydactylon bevorzugen?


    LG, Bernd

  • Hallo Bend,


    wenn das mal nicht viel Finger sind!


    Hast du dir den Wirth gekauft?

    Das sind zwei tolle Bände - Glückwunsch! :thumbup:


    LG, Martin

  • Hallo Bernd,


    es zählt die Gesamtheit der Merkmale. Nur weil da ein paar Rhizinen im Zentrum der Lappen die 7 mm erreichen und die Thalli relativ groß sind, muss das noch lange nicht Peltigera neopolydactyla sein. Ich sehe Deinen Fund noch voll in der Variationsbreite von P. polydactylon und kann mir nicht vorstellen, dass hier ein kleines Exemplar der sehr groß (!) werdenden P. neopolydactyla vorliegt (auch wenn ich die Art aus eigener Anschauung nicht kenne).


    Peltigera neopolydactyla ist in Mitteleuropa sehr (extrem) selten und auf montane Lagen beschränkt. Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass sie in Litauen auch im Tiefland vorkommt, wahrscheinlich ist das aber nicht und wäre es nicht auch ein Erstfund für Litauen? In Teilen Nordamerikas ist die Art deutlich häufiger und so finden sich im Netz zahlreiche Fotos von P. neopolydactyla, die eine Vorstellung von dieser imposanten Schildflechte vermitteln. Aus Europa findet man leider nur sehr wenig Bildmaterial und mir ist aus dem deutschsprachigen Raum auch keine detaillierte Beschreibung der Art bekannt.


    Einzelne Größen- bzw. Längenangaben in den Schlüsseln bitte nicht überbewerten, sie geben meist nur eine Tendenz wieder und es finden sich immer wieder Schildflechten, die mehr oder weniger deutlich von den "Vorgaben" in der Bestimmungsliteratur abweichen. So steht ja auch im Wirth in der Einleitung zum Peltigera-Schlüssel: "Die Variabilität ist bei einigen Arten beträchtlich und kann nicht im Schlüssel zum Ausdruck kommen."


    Bildmaterial von unterschiedlichen Thalli, bei denen nicht absolut sicher ist, dass sie der gleichen Art angehören, kann eine Bestimmung schnell unmöglich machen. Alles was nach 3) kommt, habe ich deshalb nicht berücksichtigt.


    LG Ingo

  • Hallo Ingo,


    das wäre in der Tat für Litauen ein Erstfund. Allerdings hat das nicht viel zu sagen, weil es eigentlich nur eine Dame gibt, die sich viel mit Flechten beschäftigt. Deren wissenschaftliche Integrität ich aber mittlerweile stark bezweifele - unter anderem weil sie unter ihrem Namen eins meiner Fotos (eine Umbilicaria) publiziert hat (ausgeschnitten und gedreht, damit es nicht auffällt, was andererseits die Absicht unterstreicht). In Sachen Qualifikation habe ich da so meinen Verdacht, wenn man es mit den Daten nicht so genau nimmt und peinlichst darauf geachtet wird, die "Konkurrenz" klein zu halten und die Kollegen aus BY und LV als inkompetent darzustellen ...

    Für Lettland und Weißrussland ist P. neopolydactyla nachgewiesen. In Weißrussland auch in älteren Herbarbelegen. Den entsprechenden weißrussichen Lichenologen hatte ich angeschrieben und um seine Meinung gebeten - leider macht der neue eiserne Vorhang wohl auch vor den wissenschaftlichen Einrichtungen nicht halt (beiderseits)


    Ich kann auch mit P. polydactylon sehr gut leben. Allerdings komme ich mit keinem Schlüssel dahin. Und wenn man in mehr oder weniger in allen Schlüsseln auf die Rhizinenlänge rekursiert - warum denn nicht? Was genau spricht gegen diese Art? Außer dass sie potenziell in die Variationsbreite von polydactylon passen würde?


    Seltenheit ist zwar ein Indiz, aber letztlich kein Argument. Für NW Amerika gilt P. n. als häufig, während P. p. selten sein soll https://lichens.twinferntech.n…gera_neopolydactyla.shtml -- das hier beigebrachte Bildmaterial nebst Beschreibung spricht für mich auch eher für P. n. bei meinem Exemplar


    LG, Bernd

  • kruenta

    Hat den Titel des Themas von „Eine Peltigera“ zu „Eine Peltigera → P. (neo)polydactyla“ geändert.
  • Hallo allerseits,


    noch ein paar Bilder von dieser Flechte vom Wochenende, damit man sich von der Nässe des Standorts ein Bild machen kann. Die Flechte wurde im Winter erheblich angefressen (zwischenzeitlich hatten wir ~40 cm Schnee) und ziemlich lädiert.

    LG, Bernd