Tiefer Einblick in ein Stockschwämmchen

Es gibt 26 Antworten in diesem Thema, welches 5.829 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Schwammer-Dieter.

  • [font="Times New Roman"] [font="Arial"]Tiefer Einblick in ein Stockschwämmchen
    Untertitel:
    Der Fluch und der Segen der Sequenzierung und deren Entmystifizierung?

    [/font][/font]
    [font="Arial"]
    Liebe Pilz-Freunde,
    nachdem mein letzter Bericht einen kleinen Wirbelsturm hier im Forum ausgelöst hat habe ich festgestellt, dass das Thema Sequenzierung recht hohen Anklang hier im Forum findet, deshalb möchte ich kurz etwas mehr über dieses spannende Thema erzählen - muss aber unbedingt dazu sagen dass auch ich ein blutiger Anfänger bin und Euch hier nur mitteilen möchte was ich so alles auf dem Weg vom Total-Anfänger zum Anfänger herausgefunden habe.
    Ich bin sicher, dass hier Profis mitlesen werden, denen der eine oder andere Fehler auffällt, oder alles was ich hier schreibe mit einem müden Gähner ganz schnell durchscrollen.
    Bitte, liebe Profis, ich bin für jede Anregung und Fehlerkorrektur immer offen. Vielen Dank für jeden keinen Tipp. Ich fasse alles immer als konstruktive Kritik auf - also immer ran an die Tastatur. Dies ist einfach nur die Geschichte der ersten Geh-Versuche. Fremdwörter vermeide ich bewusst, wo es geht oder erkläre sie ganz kurz.
    Als Forums-Lesestoff gibt es hier schon mal was:
    http://www.pilzforum.eu/board/…quenzierung-wissenswertes
    Wenn Ihr das gelesen habt, wisst Ihr schon einiges (wie das Sequenzieren technisch geht, etc.) ---> deshalb schreibe ich dazu nichts weiter im folgenden Text.

    Einleitung:

    Meiner Meinung nach schadet es überhaupt nicht sich als Feld-Schwammerer mit dem Thema Sequenzierung zu befassen. Wer es einigermaßen sorgfältig vorgeht (wohl auch autodidaktisch akribisch bei einem Kasten Bier) angeht, dem wird es ein spannendes, hilfreiches Werkzeug sein. Wer aber schlampig arbeitet - dem wird es gar nichts nützen.
    Auf jeden Fall muss ich sagen, dass es sehr viel Spaß machte Sequenzierungen in das Hobby unwissenschaftlich(!) einfließen zu lassen - warum - das werdet Ihr gleich sehen.
    Ich muss dazu zusätzlich sagen, dass es mir nicht wirklich wichtig ist einen Pilz 100% (richtig) bestimmen zu können. Für mich war und ist das ein spannendes Hobby.
    Der Kandidat der für das heutige Thema herhalten muss ist ein ganz normales Stockschwämmchen.
    Und zwar einfach um nicht mit einem schwer bestimmbaren Pilz daherzukommen um den dann gestritten wird ob es denn überhaupt der von mir behauptete Pilz ist.

    Es handelt sich um
    Fundnummer: 2016-04-30-1349
    Zweifellos das Gemeine Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis).
    Oder etwa doch nicht zweifellos? ;) - wir werden es herausfinden....

    Und so sahen sie am 30.04.2016 aus:

    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]

    Einfach nur lecker schmeckten sie!

    [/font]
    [font="Arial"]Ich nahm wieder zum Spaß zuhause ein paar Daten auf:
    Sporenpulverfarbe:
    Pantone 181U = ████

    Mikrodaten:

    Sporen:
    (6.7) 7 - 7.6 (8.2) x (4) 4.1 - 4.4 (4.6) µm
    Q = (1.6) 1.7 (2) ; N = 8
    V = (60) 61 - 76 (84) µm ³
    Me = 7.3 x 4.2 µm ; Qe = 1.7 ; Ve = 70 µm ³

    Cheilozystiden:
    mit Schleimkappe
    (15.6) 16.7 - 24.1 (24.3) x 2 - 4.1 (4.2) µm

    Q = (4.3) 5.2 - 7.8 (12.2) ; N = 7
    Me = 19.6 x 3.2 µm ; Qe = 6.7
    [/font]


    Vor der Sequenzierung:
    Ihr kennt mich - ich trug lange, lange unter meinem Avatar den Namen "Makroskopierer" - und dieser bin ich immer noch.
    Ich kann jeden den Hinweis geben, dass die gründliche Datenaufnahme des (frischen) Pilzes und dessen Standort wichtiger ist, als das Mikroskopieren und Sequenzieren.
    Oft halfen mir kleine solcher morphologischen Details um schnell ans Ziel zu gelangen. Ein 8 Meter entfernt stehender Nussbaum, der leichte Geruch nach Anis oder das gilbende Fleisch im Anschnitt ist oft wichtiger als die Mikro-Daten und DNA-Sequenz. Deshalb:.... siehe hier den Beitrag von Ingo den ich auch jetzt immer noch vor dem geistigen Auge habe und bei jedem Fund standardmäßig abarbeite: http://www.pilzforum.eu/board/…ngaben-zur-pilzbestimmung
    Ein gutes, scharfes, farbechtes Bild vom Schammerl (auch unten und im Schnitt) hilft natürlich immer.
    Scheitert die eindeutige Bestimmung durch die aufgenommenen Daten, ist das Nächste bevor man sequenziert die mikroskopische Datenaufnahme. Gattungsspezifische Merkmale sollten aufgenommen und dokumentiert werden.
    Macht man diese beiden Schritte nicht, ist meiner Meinung nach eine Sequenzierung zur weiteren Bestimmung nicht geeignet. Natürlich kann man zum Spaß, so wie ich es tat hier in diesem Beispiel bereits eindeutig bestimmte Schwammerln sequenzieren und mit den Sequenzen allen Schabernack treiben, sie also durch diverse Suchmaschinen und Programme jagen, Diagramme und 3D-Modelle erzeugen, usw, usw. Gerade bei diesen spielerischen Übungen habe ich das eine oder andere herausgefunden was mir dann im "Ernstfall" half eine Fehldiagnose zu erkennen. Konzentriert man sich nämlich nur auf die Bestimmung eines unbekannten Pilzes anhand einer Sequenz - wird man wahrscheinlich scheitern, denn man kennt die Eigenarten und Fehleinträge in den Gendatenbanken zunächst nicht und unterschätzt sie.

    Sammeln, Trocknen und Lagern:
    Normale Basidiomyceten:
    Der Pilz sollte in "ausreichender Menge" entnommen werden. Wie viel das ist ist natürlich von der Pilzgröße abhängig, und davon ob man etwas davon selbst behalten will oder alles zur Sequenzierung geben will.
    Dass man den Pilz "nach Vorschrift" trocknen und lagern muss versteht sich wohl von selbst. Zu beachten ist hier eine Trocknungstemperatur von unter 40 °C.
    Mit Fremdsporen und anderer Verschmutzung hatte ich bislang keine Probleme, aber vielleicht ist es gar nicht verkehrt den Sequenzier-Pilz gleich nach der Entnahme von Erde, Blättern usw. zu säubern und in Alufolie separat zu packen.
    Bei Ascos muss (wie ihr aus früheren Beiträgen ja schon wisst) in der Regel eine Kultur angelegt werden. Dieses Thema kann ich noch nicht näher erklären weil ich es noch nicht gut kenne - folgt aber später falls ich Lust dazu habe.

    Die Sequenzierung:
    Ich denke man sollte sich vorher mit einem Experten der Gattung unterhalten um sicher zu gehen, auch den DNA-Abschnitt zu wählen der wahrscheinlich zum Ziel führt.
    Auch ob überhaupt Vergleichs-Sequenzen vorhanden sind sollte im Vorfeld geklärt werden.
    Dieses Wissen besitze ich nicht, und kann hier nur den Rat geben sich an Gattungs-Experten zu wenden, welche einschätzen können ob eine Sequenzierung zum Ziel führen wird oder nicht. Wenn nicht - lasse ich es gleich ganz sein.
    Eine übliche Region welche zur Bestimmung verwendet wird ist die so genannte "ITS-Region" (was das ist könnt ihr ja im Internet nachlesen). Auch bei dem Stockschwämmchen in diesem Beispiel ist das so.

    Das Ergeb[font="Arial"]nis der Sequenzierung:
    [/font]
    [font="Arial"]Über die Sequenzierverfahren könnt Ihr zum Beispiel hier mehr erfahren: https://de.wikipedia.org/wiki/DNA-Sequenzierung
    Wer nun glaubt, dass man nach der Sequenzierung die Bestimmung auf einen Silbertablett geliefert bekommt der irrt.
    Der Messaufnehmer des Sequenzers nimmt nichts anderes auf als die Rohdaten die ungefiltert erst mal so aussehen:[/font]
    [font="Arial"][/font]


    [font="Arial"]Herausgezoomt schaut das so aus:[/font]
    [font="Arial"]


    Zunächst jagt man dieses so genannten "Chromatographie-Rohdaten" durch ein "Tiefpass-Filter" mit "Threshold" um das Signal-Rauschen zu entfernen.
    Ebenso werden die Abschnitte in denen nur Rauschen aufgenommen wurde abgeschnitten.
    Beides macht jede Sequenz-Analyse-Software per Knopfdruck.
    Das Ergebnis ist die geglättete und grob beschnittene Sequenz die bei unserem Stockschwämmchen nun so aussieht:

    [/font]
    [font="Arial"]Diese Darstellung der Daten nennen man "Chromatogramm".
    In alten Beiträgen wurde einmal gefragt was die schönen bunten Buchstaben (A, C, G, T) bedeuten.
    Das zu erklären bringt an dieser Stelle aber noch nichts, denn dazu müssen wir erst den nächsten und übernächsten Punkt anschauen.

    [/font]
    [font="Arial"]Herausfinden der Ausrichtung und deren Korrektur:
    Chromatogramme und die daraus erstellten "Nukleobasen-Sequenzen" (das sind die tollen Buchstabenreihen) werden üblicher Weise vom so genannten 5'-Ende zum 3'-Ende geschrieben, jedoch können sie so nur zufällig aufgenommen werden.
    Der Sequenzierautomat weiß ja nicht von welchen Ende die DNA durch den Datenaufnehmer (z.B. die Nanopore) gelaufen ist. Das heißt, dass die Sequenz rückwärts und komplementär aufgezeichnet worden sein kann.
    Die erste Aufgabe ist also, herauszufinden in welcher Richtung die Sequenz also 3' --> 5' (unüblich) oder 5' --> 3' (üblich) aufgezeichnet wurde.
    Das kann man (wenn man schnell arbeiten will) entfallen lassen indem man die Sequenz einfach so nimmt wie sie ist und Alignement-Maschinen die Arbeit automatisiert überlassen will.
    Lässt man solch eine so genannte Rückwärts-komplementär-Sequenz z.B. durch eine "BLAST"-Maschine laufen, erkennt Sie die falsch herum geschriebene Sequenz.
    Das Problem aber ist, dass sie die Sequenzen in der Datenbank umdreht und das Vergleichsergebnis wird dann auch verkehrt herum angezeigt.
    Nicht so, toll... denn wir wollen ja noch mehr mit unserer Sequenz herumspielen und im Forum damit angeben... ;)
    Wie finden wir also heraus ob die Sequenz verkehrt herum ist?
    Das geht mit den so genannten "Primer-Sequenzen" oder indem man bei quasi bekannten Pilzen die Sequenz mit bereits richtig herum geschriebenen Sequenzen (z.B. per BLAST) vergleicht.
    Ich wähle jetzt mal die eigentlich korrekte Methode mit den "Primer-Sequenzen" bei dem Beispiel hier.
    Erst mal lesen was das ist - z.B. hier: http://sites.biology.duke.edu/fungi/mycolab/primers.htm - Ahaaa... alles klar, oder? ;)
    Nun muss man nur nach dem Primer suchen, bzw. nach dessen komplementärer Rückwärtssequenz und schon weiß man, ob die aufgenommene Sequenz richtig oder falsch herum geschrieben ist. Wie machen wir das?

    [/font]
    [font="Arial"]Erstellen einer Primer Map
    Nicht nur wegen dem vorherigen Punkt sondern auch um sich in der Sequenz zu orientieren erstellt man sich eine Primer Map.
    Das bedeutet man vergleich bekannte Primer-Sequenzen mit der Sequenz. Das kann auch wieder jedes gute Sequenzanalyse-Tool.
    Gut geeignet sind der
    5.8SR-Primer oder der ITS1 - aber Vorsicht! Der 5.8-Primer wird rückwärts gelesen, deshalb muss man der Rückwärts-Primer "5.8SR" mit der Sequenz vergleichen um herauszufinden welche Ausrichtung die Sequenz hat. Verwirrt? ;) macht nichts - einfach mal ausprobieren...
    Meine Original-Sequenz-Primer-Map sieht so aus:

    [/font]
    [font="Arial"]Vorwärts-Primer habe ich hier magenta markiert. Rückwärts-Primer orange. Man erkennt sofort: In diesem Fall ist die Sequenz verkehrt herum.
    [/font]
    [font="Arial"]Ich drehte die also zunächst um, und bildete auch deren "Komplementär". Der Vorgang ist einfach und gar kein Hexenwerk.
    Die DNA besteht ja aus einem Doppelstrang von so genannten "Basenpaaren". "Nukleobase" A gehört immer zu T und C immer zu G. Man muss also nur den DNA-Strang komplett umdrehen und dann aus A --> T machen und aus C --> G. Das geht in jeder DNA-Analysis-Software in Handumdrehen.
    Und was sagt uns nun die Primer-Map?:

    [/font]
    [font="Arial"]Jawoll - alles prima. Nun ist die Sequenz richtig herum.
    [/font]
    [font="Arial"]Zurück ins Chromatogramm. Man kann sich an dieser Stelle schon einmal kleine Amplituden (das sind die Signalausschläge) ansehen und die Doppel-Ausschläge.
    Denn hier könnte ein Fehler verborgen sein der einen später beim "Alignen" (das ist das Ausrichten an anderen Sequenzen) verwirrt.
    Base Nummer 498 ist hier so einer:


    Die bunten Buchstabenkolonnen
    So und nun wissen wir auch, dass die Buchstaben, nach denen in alten Beiträgen gefragt wurde erst einmal zweideutig sind und erst NACH der Kontrolle bzw. Korrektur der Richtung eindeutig werden.
    Sie bedeuten folgendes:

    [/font]
    [font="Arial"]Die für uns wichtigen habe ich rot dargestellt. In alten Beiträgen wurde gefragt wofür z.B. "Y" steht. In Primern wird manchmal die Mehrdeutigkeits-Schreibweise benötigt, also z.B. darf an einer bestimmten Stelle des Primers C oder T stehen --> in der Primersequenz schreiben wir also dann z.B. das "Y". Der Basdiomyceten-Primer "bRPB2-7.1R" ist so ein Exot.
    Viel wichtiger sind aber die Doppeldeutigkeiten für die Auswertung wie wir gleich sehen werden.

    [/font]
    [font="Times New Roman"][font="Arial"]Schreiben einer .fasta-Datei
    [/font][font="Arial"]Die so vorbereitete Sequenz schreibt man in eine Textdatei mit Endung ".fasta". das ist nichts anderes wie ein ">" gefolgt von der Bezeichnung der Sequenz, dann ein Zeilenumbruch gefolgt von der Sequenz in Form "CGGTAGTT...".
    So schaut die bei meinem Schwammerl aus:[/font]

    [/font][font="Courier New"]>DW201604301349[/font][font="Courier New"]
    TTTGAGGAAGTAAAAGTCGTAACAAGGTTTCCGTAGGTGAACCTGCGGAA
    GGATCATTATTGAATGAACTTGGTAGTGGTTGTAGCTGGCTCTCTCGAGA
    GCATGTGCACACCCGCCATCTTTATCTTTCCACCTGTGCACTTCTTGTAG
    ACTTTGGGATTTGAAAACTTATCCGGGGCAACTCGGTCGGGAGGAGCTGC
    TGTAGCAATACGGCTCTCCTTGACAAGTCTTCAAAGTCTATGTTTTTCAT
    ATACCCCATAGTATGTAACAGAATGTATACAAATGAGCCTTAGTGCTTAT
    AAAACTTATACAACTTTCAACAACGGATCTCTTGGCTCTCGCATCGATGA
    AGAACGCAGCGAAATGCGATAAGTAATGTGAATTGCAGAATTCAGTGAAT
    CATCGAATCTTTGAACGCACCTTGCGCTCCTTGGTATTCCGAGGAGCATG
    CCTGTTTGAGTGTCATTAAATTCTCAACCTTATTAGCTTTTGCTGATGAT
    GGCTTGGATTTGGGGGTCTTTTGCCGGCTTTTAACAAAGTCAGCTCCCCT
    TAAATGCATTAGCTGGTACCCTCTGGTGGAACCGTCTATTGGTGTGATAA
    TTATCTACGCCGTGGACATCTGCCCTTAGAGTAGGTGTGCTGCTTCTAAC
    CGTCTGTTCATTCGGACAATACATATGACATTTGACCCCCAAA

    [/font]
    [font="Times New Roman"]
    [font="Arial"]Das macht natürlich auch jede DNA-Software automatisch.

    Automatisches Alignen und mal ein Bisschen Auswerten
    Für das "Alignen" oder zu Deutsch "Ausrichten" gibt es viele Methoden, die ich nicht im Detail kenne und natürlich nicht beschreiben kann. Wichtig für uns Schwammerer ist vor allem die "BLAST-Methode". Wie diese funktioniert steht hier: https://de.wikipedia.org/wiki/BLAST-Algorithmus
    Auch das ist kein Hexenwerk wie ihr seht und die Theorie dahinter braucht uns Praktier wohl auch nicht weiter zu interessieren.
    Ich probierte verschiedene Tools aus und am besten kam ich mit der ncbi-Maschine hier zurecht:
    https://blast.ncbi.nlm.nih.gov…Search&LINK_LOC=blasthome
    Als Database wählt man dort "Nucleotide collection (nr/nt)" und als Organism gibt man "fungi (taxid:4751)" ein.
    Aber auch Unite sollte nicht unversucht gelassen werden: https://unite.ut.ee/analysis.php
    Und nicht zu vergessen ENA: http://www.ebi.ac.uk/ena/data/sequence/search
    Als Ergebnis bekommt man eine Liste von Funden. Diese kann man nun Auswerten nach Lust und Laune.
    Ich beginne gerne damit, mir einen groben Überblick über ein "Phylogenetischen Baum" (Genbäumchen, Baumdiagamm) zu verschaffen.
    Was das ist, kann man z.B. hier nachlesen: http://kaktus42.spline.de/mate…hylogenetische-baeume.pdf
    Weiter unten gehe ich noch mal kurz auf diesen Punkt ein.
    Es ist zunächst ein ganz grober, sicher nicht richtiger Baum der mir die so genannten "Distanzwerte" - also den Grad der Nicht-Übereinstimmung zu anderen Sequenzen in der Datenbank anzeigen soll.
    Hier ein kleiner Ausschnitt davon:[/font]
    [/font][font="Arial"]

    [/font]
    [font="Arial"]Was sehen wir...
    Bei diesem Fund wissen wir ja (hier absichtlich) dass es ein Stockschwämmchen ist.
    Wüssten wir das nicht - könnten wir das nun über die Ausschlussmethode und nähere Untersuchung der Sequenzen ebenso leicht erkennen.
    Überraschender Weise scheint es aber ein weiteres Stockschwämmchen zu geben, wie wir an dem oberen Ast ja sehen können.
    Nun könnte (oder besser sollte) man z.B. untersuchen was der Unterschied dieses Astes zu meinem Stockschwämmchen ist.

    [/font]
    [font="Arial"]Na und das tun wir doch gleich mal:


    [font="Times New Roman"][font="Courier New"]Query_37803 17 TCGTAACAAGGTTTCCGTAGGTGAACCTGCGGAAGGATCATTATTGAATGAACTTGGTAG 76
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     AB907596 501 ............-.... 516[/font][/font]



    [/font]
    Oha! Ja da scheint es doch tatsächlich noch eine weitere "Art" Kuehneromyces mutabilis zu geben die nur zu 90% identisch ist.


    Also tatsächlich ein Kuehneromyces mutabilis variata xyz? ;)
    Aber schauen wir uns die Sequenzen (Hyperlinks oben) genauer an erkennen wir - sie stammen alle aus in Korea.
    Na gut - diesen Ast können wir also absägen, denn wir sind ja nicht in Korea, aber das ist doch mal eine interessante Sache. ;)
    Ab sofort könnt Ihr sagen wenn ihr ein Stockschwämmchen findet: "Das ist das Gemeine Stockschwämmchen - es könnte aber auch das Koreanische Stockschwämmchen sein dass gerade erst eingeschleppt wurde" ;-))) Natürlich nur spaßig gemeint, aber für unsere Kritiker: Ja, dieser theoretische Sachverhalt ist nicht 100% auszuschließen.
    Mehr will ich in diesem kurzen wirklich nur oberflächlichen Beitrag nicht über Genbäumchen und über die Auswertung beschreiben - andere schreiben ja Doktorarbeiten über das Thema.

    Kommen wir zurück zu dem Stockschwämmchen-Ast in dem wir gelandet sind und sehen uns die am besten passende Sequenz einmal genauer an.
    Das ist die mit der ID-Nummer "GU062262".

    Was lesen wir nach dem Alignment mit dieser Sequenz...
    Kuehneromyces mutabilis 18S ribosomal RNA gene, partial sequence; internal transcribed spacer 1, 5.8S ribosomal RNA gene, and internal transcribed spacer 2, complete sequence; and 28S ribosomal RNA gene, partial sequence
    Sequence ID: GU062262.1
    --> das ist die Sequenz ID
    Score: 1199 bits(649)
    --> die Wertung
    Identities: 653/656(99%)
    --> 653 von 656 Basen stimmen überein, das sind 99%
    Gaps: 1/656(0%) -->
    1 Leerstelle (Gap) mussten in die Sequenz eingefügt werden um sie passend zu machen
    Strand: Plus/Plus -->
    das ist wichtig! Wir sehen: beide DNA-Stränge laufen in die gleiche Richtung --> Unsere Sequenz ist richtig herum.
    [font="Courier New"]Query 4 GAGGAAGTAAAAGTCGTAACAAGGTTTCCGTAGGTGAACCTGCGGAAGGATCATTATTGA 63
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 3 GAGGAAGTAAAAGTCGTAACAAGGTTTCCGTAGGTGAACCTGCGGAAGGATCATTATTGA 62

    Query 64 ATGAACTTGGTAGTGGTTGTAGCTGGCTCTCTCGAGAGCATGTGCACACCCGCCATCTTT 123
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 63 ATGAACTTGGTAGTGGTTGTAGCTGGCTCTCTCGAGAGCATGTGCACACCCGCCATCTTT 122

    Query 124 ATCTTTCCACCTGTGCACTTCTTGTAGACTTTGGGATTTGAAAACTTATCCGGGGCAACT 183
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 123 ATCTTTCCACCTGTGCACTTCTTGTAGACTTTGGGATTTGAAAACTTATCCGGGGCAACT 182

    Query 184 CGGTCGGGAGGAGCTGCTGTAGCAATACG[/font]
    [font="Courier New"]G[/font][font="Courier New"]CTCTCCTTGACAAGTCTTC[/font][font="Courier New"]A[/font][font="Courier New"]AAGTCTATGT 243
    ||||||||||||||||||||||||||||| ||||||||||||||||||| ||||||||||
    Sbjct 183 CGGTCGGGAGGAGCTGCTGTAGCAATACG[/font]
    [font="Courier New"]A[/font][font="Courier New"]CTCTCCTTGACAAGTCTTC[/font][font="Courier New"]R[/font][font="Courier New"]AAGTCTATGT 242

    Query 244 TTTTCATATACCCCATAGTATGTAACAGAATGTATACAAATGAGCCTTAGTGCTTATAAA 303
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 243 TTTTCATATACCCCATAGTATGTAACAGAATGTATACAAATGAGCCTTAGTGCTTATAAA 302

    Query 304 ACTTATACAACTTTCAACAACGGATCTCTTGGCTCTCGCATCGATGAAGAACGCAGCGAA 363
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 303 ACTTATACAACTTTCAACAACGGATCTCTTGGCTCTCGCATCGATGAAGAACGCAGCGAA 362

    Query 364 ATGCGATAAGTAATGTGAATTGCAGAATTCAGTGAATCATCGAATCTTTGAACGCACCTT 423
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 363 ATGCGATAAGTAATGTGAATTGCAGAATTCAGTGAATCATCGAATCTTTGAACGCACCTT 422

    Query 424 GCGCTCCTTGGTATTCCGAGGAGCATGCCTGTTTGAGTGTCATTAAATTCTCAACCTTAT 483
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 423 GCGCTCCTTGGTATTCCGAGGAGCATGCCTGTTTGAGTGTCATTAAATTCTCAACCTTAT 482

    Query 484 TAGCTTTTGCTGAT[/font]
    [font="Courier New"]G[/font][font="Courier New"]ATGGCTTGGATTTGGGGGTCTTTTGCCGGCTTTTAACAAAGTCAG 543
    |||||||||||||| |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 483 TAGCTTTTGCTGAT[/font]
    [font="Courier New"]R[/font][font="Courier New"]ATGGCTTGGATTTGGGGGTCTTTTGCCGGCTTTTAACAAAGTCAG 542

    Query 544 CTCCCCTTAAATGCATTAGCTGGTACCCTCTGGTGGAACCGTCTATTGGTGTGATAATTA 603
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 543 CTCCCCTTAAATGCATTAGCTGGTACCCTCTGGTGGAACCGTCTATTGGTGTGATAATTA 602

    Query 604 TCTACGCCGTGGACATCTGCCCTTAGAGTAGGTGTGCTGCTTCTAACCGTCTGTTC 659
    ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
    Sbjct 603 TCTACGCCGTGGACATCTGCCCTTAGAGTAGGTGTGCTGCTTCTAACCGTCTGTTC 658[/font]

     
    [font="Arial"]In der Sequenz sehen wir nun etwas dass wir oben schon gelernt haben.
    Die Doppeldeutigkeit R (Purin) kann A oder G sein --> also nur scheinbar eine Abweichung.

    Gedanklich zurück zu einer echten Sequenz-Analyse eines unbekannten Pilzes:
    Ich kann und will an dieser Stelle nicht behaupten ob das Ergebnis einer Sequenz-Analyse (mit welcher Suchmaschine auch immer) eindeutig ist oder total falsch.
    Hier sollte man nach erfolgreichen Funden nochmals mit Gattungs-Experten Rücksprache halten.
    Gehen wir für unser Beispiel nun mal davon aus, dass wir den wahrscheinlichsten Pilz herausgefischt haben - also eben ein Gemeines Stockschwämmchen - und betrachten das Ergebnis als "so eindeutig dass wir davon ausgehen können dass es dieser ist".

    [/font]
    [font="Times New Roman"][font="Arial"]Beschneiden der beiden Enden[/font][font="Arial"]
    Den Anfang und das Ende, welches immer noch die niedrigen Ausschläge enthält schneidet ncbi-BLAST für uns schon "richtig" weg.
    Es ist kein Muss, das auch nachträglich zu tun, aber der Sauberkeit halber machen wir das mal.
    Zuerst muss man herausfinden welche anderen Sequenzen noch Teilweise den Enden entsprechen, dass wir nicht zu viel weg schneiden.
    Man nimmt also eine Menge der Sequenzen des "bestimmten" Pilzes und schaut sich die Enden und Anfänge an:[/font]


    [font="Arial"]Die erste enthält hier noch am meisten von meinem Anfang - sie beginnt mit[/font]
    [/font][font="Courier New"]GAGGAAGTA...[/font][font="Times New Roman"][font="Times New Roman"]
    [font="Arial"]Vom Anfang schneide ich also weg ich weg:[/font] [font="Times New Roman"][font="Courier New"]TTT[/font][/font]
    [/font][/font]
    [font="Arial"]Die langen enden mit [/font][font="Courier New"]TTTTGACC[/font][font="Times New Roman"]
    [font="Arial"]Vom Ende schneide ich also ab:[/font][/font] [font="Times New Roman"][font="Courier New"]CCCAAA[/font][/font]
    [font="Times New Roman"][font="Arial"]Das mache ich in der .fasta-Datei und nenne dies "bereinigte Sequenz". Analyse-Software kann diesen Schritt auch automatisch machen, aber je nach Einstellung schneidet die Software zu viel oder zu wenig ab, weshalb ich noch keine andere Methode wie die manuelle Korrektur kenne. Falls jemand einen zuverlässigen automatisierten Weg kennt --> bitte mir sagen.
    Diese bereinigte .fasta-Datei sieht nun so aus:[/font]

    [font="Courier New"]>DW201604301349[/font]
    [/font][font="Courier New"]GAGGAAGTAAAAGTCGTAACAAGGTTTCCGTAGGTGAACCTGCGGAA
    GGATCATTATTGAATGAACTTGGTAGTGGTTGTAGCTGGCTCTCTCGAGA
    GCATGTGCACACCCGCCATCTTTATCTTTCCACCTGTGCACTTCTTGTAG
    ACTTTGGGATTTGAAAACTTATCCGGGGCAACTCGGTCGGGAGGAGCTGC
    TGTAGCAATACGGCTCTCCTTGACAAGTCTTCAAAGTCTATGTTTTTCAT
    ATACCCCATAGTATGTAACAGAATGTATACAAATGAGCCTTAGTGCTTAT
    AAAACTTATACAACTTTCAACAACGGATCTCTTGGCTCTCGCATCGATGA
    AGAACGCAGCGAAATGCGATAAGTAATGTGAATTGCAGAATTCAGTGAAT
    CATCGAATCTTTGAACGCACCTTGCGCTCCTTGGTATTCCGAGGAGCATG
    CCTGTTTGAGTGTCATTAAATTCTCAACCTTATTAGCTTTTGCTGATGAT
    GGCTTGGATTTGGGGGTCTTTTGCCGGCTTTTAACAAAGTCAGCTCCCCT
    TAAATGCATTAGCTGGTACCCTCTGGTGGAACCGTCTATTGGTGTGATAA
    TTATCTACGCCGTGGACATCTGCCCTTAGAGTAGGTGTGCTGCTTCTAAC
    CGTCTGTTCATTCGGACAATACATATGACATTTGACC
    [/font]

    [font="Arial"]
    Mit dieser korrigierten .fasta-Datei gehe ich wenn ich Lust habe nochmal zurück in BLAST. Dadurch werden die werte für die prozentuale Identität zu den Pilzen in der Datenbank genauer.
    Nun sagen wir mal: Die Identität des Pilzes ist so gut es geht per Sequenzierung durch Vergleich mit ähnlichen Sequenzen ermittelt.

    Manuelle Nachkontrolle mit weiteren vorhandenen Sequenzen
    Tja, nun kann man sich hinsetzen und stundenlang mit einer ganzen Fülle von verschiedensten Programmen vorhandene Sequenzen die sich in einigen Datenbanken finden mit der des Fundes vergleichen. Unterschiede herausarbeiten, "Konsensussequenzen" berechnen (Das ist die logische vereinheitlichte Sequenz mehrerer Sequenzen einer Art), usw., usw. Je nach Seltenheit des Fundes kann das wohl sehr Zeitaufwändig werden. Eine genaue Beschreibung wie das geht habe ich nicht, denn ich habe das noch nicht so exzessiv gemacht... ;) Vielleicht finde ich einmal ein Pilzchen wo das nötig wird, dann können wir uns hier tagelang im Forum damit auseinandersetzen...
    Denkt auch immer an die von Ditte beschriebene Grenze nach der alles was unter 97% Übereinstimmung bei der Gattung Inocybe war als neue Art beschrieben wurde.
    Im Umkehrschluss kann man zwar nicht sagen dass man alles über 97% als eine Art durchgehen lassen kann, aber es zeigt auf, dass es eine gewisse Toleranz gibt in der man sich in Abhängigkeit der Gattung bewegen "darf".
    Für heute soll diese kleine Geschichte, über die echte Profis wohl ganze Bücher schreiben können erst mal genügen.
    Was nun folgt sind Spielereien die ich mit den Sequenzen so angestellt habe... (ohne genaue Erklärung wie es geht denn das ist teilweise schon ein bisschen komplizierter....)

    "Spielerei" 1: Phylogenetischer Baum (Phylogram)
    Was das ist, habe ja oben schon kurz überflogen.
    "Spielerei" nur für mich - für Profis wohl ein wichtiges Werkzeug. Natürlich probierte ich mit diversen Methoden für die Berechnung von Genbäumchen herum.
    Je nach Berechnungsmethode, Toleranzen, Vergleichsdatensätzen usw. kommt man jedoch auf ganz unterschiedliche Ergebnisse.
    Nützlich waren diese Bäumchen für mich bislang um der "Abstand" zu anderen Arten deuten zu können und diese dadurch wie in dem Beispiel oben zu sehen auszuschließen.
    Die Frage ist für mich momentan noch, ob die von mir ausgewählten Vergleichsdaten überhaupt stimmten, ob ich sie richtige gedeutet habe, usw.
    Deshalb sehe ich dieses Thema vorläufig bei mir im Abschnitt "Spielerei". Eben deshalb weil ich Anfänger bin und hier noch keine wirklich aussagekräftigen Ergebnisse oder Erkenntnisse erzielen kann. Die Profis unter Euch werden diese Methode bestimmt besser Anwenden und deren Ergebnisse auswerten können als ich.
    Die Diagramme von mir dürfen also ruhig erst einmal den Stempel "dilettantisch" tragen...
    Hier ein Beispiel für die Gattung Kuehneromyces inkl. ausländischer Arten aus Konsensussequenzen dass ich schnell mal beispielhaft gemacht habe:

    Profis werden merken dass hier eine Art fehlt... ja, ja... warum wohl ;)

    Spielerei 2: Base-4 Walk Diagramme
    Etwas unbekannter sind die "Base-4 Walk Diagramme".
    Ganz einfach gesagt: Die Sequenz steuert quasi einen farbigen Cursor der je nach Abfolge der Sequenz die Richtung und Farbe ändert.
    Vielleicht könnten diese ein weiteres Werkzeug für die Artenbestimmung sein.
    Ich sehe es als weitere Art "Fingerabdruck" der Art - und ich konnte durch PC-gestützten Vergleich der Diagramme schon interessantes herausfinden.
    Ich werde vielleicht nochmals etwas ausführlicher darüber berichten.
    Hier das Base-4 Walk Diagramm von unserem Stockschwämmchen:

    [/font]
    [font="Arial"]Totale Spielerei 3: 3D-Modelle der DNA
    Eine wirklich vollkommen unnütze aber sehr schöne Spielerei ist das generieren von 3D-DNA-Modellen. Besonders meiner 5-jährigen Tochter hat es sehr viel Spaß bereitet durch das DNA-Molekül des Pilzes mit der Mouse hindurch zu zu fliegen während sie immer wieder auf den Pilz schaute und mich mehr oder weiniger zitierend erklärte "das sind jetzt die ganz winzigen Atome von dem Schwammer da - und wir fliegen da jetzt durch..." "das ist noch kleiner als die Sporen - die überall in der Luft herumfliegen und die wir immer im Mikroskop anschauen, gell Papi!" "da ist alles gespeichert was der Schwammer wissen muss"... ;)
    Ja besser könnte ich es hier im Forum wirklich auch nicht erklären.
    Diesen vielleicht einmaligen Einblick in den Pilz will ich Euch natürlich nicht vorenthalten.
    Hier habt ihr das echte 3D-Modell von Kuehneromyces mutabilis (ja, wirklich berechnet aus der Sequenz des Fundes) und könnte wie meine Tochter einmal durch den Pilz hindurch fliegen.
    Wahrscheinlich die naheste Nahaufnahme eines Pilzes welche ich bislang hier im Forum gesehen habe... viel Spaß damit....
    Wegen der Ladezeit habe ich das Molekül verkürzt - ihr seht den Beginn der ITS1 Region "
    AGGATCATTATTGAAT"
    [/font]
    [font="Arial"]ACHTUNG! Die Daten brauchen einige Zeit zum laden! (Minuten!)[/font]


    [font="Arial"]
    Navigation:
    [/font]


    [font="Arial"]Molekül bewegen: linke Mouse-Taste und bewegen
    Molekül verschieben: Shift + linke Moustaste und bewegen
    Rein und raus zoomen: Scrollrad

    Für all diejenigen die einen veralteten Rechner, Steinzeit-Browser oder eine schlechte Internetverbindung haben habe ich das Modell in eine kurze Animation umgewandelt:
    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]Ich hoffe Ihr hattet ein bisschen Spaß an meiner kurzen Darstellung des viel umfangreichern Themas.
    Vielleicht hat es dem einen oder andern etwas gebracht.
    Beste Grüße

    Dieter
    [/font]


  • Stimme ich voll zu, danke für deine wahnsinn ´s Arbeit von der ich leider keine Ahnung habe.


    Grüsse aus der Rhön
    claus

  • Hi Dieter!


    Wahnsinn, wie schnell du das alles verstehst.
    Ich bräuchte da ein 2. Leben dazu.
    Danke, dass du das alles so zeitaufwendig dargestellt hast und auch, dass du es zu erklären versucht hast.


    VG Ingo W

    ________________________________________________________________
    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130 + 4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134 + 7 (7.Platz im APR 2022) = 141 + 4 (KISD-Prozente von GnE) = 145 -15 (APR 2023) = 130 + 3 (10. Platz) = 133 + 3 (Unbewusst-Phal) = 136 + 5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141 + 5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146 + 7 (Phalplatz 1) = 153

    Link: Gnolmengalerie

    Link: APR 2023

    Link: Phalabstimmung 2023

    Link: Nanzen

  • Hallo Dieter


    Eine schöne aufwendige Arbeit mit großem Einblick!
    Ich habe da auch so ein Gedankenspiel!
    Bei der Festlegung des Sporenpulvers kam mir so der Gedanke, ob es möglich ist, dass sich die Farbe des Spp. möglicherweise nur artbedingt sich im laufe der Zeit um einige Farbnuancen ändern kann?
    Z.B. wie im Präparat in Wasser oder verschiedenen anderen Reagenzien!
    Ich könne mir vorstellen, dass frisch abgeworfenes Spp. noch etwas feucht ist und man da noch mit der Farbbestimmung einige Zeit warten sollte, um genaue Werte zu bekommen. Passiert danach in den nächsten 100 Jahren nichts mehr, oder können Sporen artspezifisch und altersbedingt verschiedene Reaktionen aufweisen die die Farbgebung verändert.
    Grüße Hans

  • Hallo Dieter,


    vielen Dank für den tollen Beitrag und die damit verbundene Arbeit ! ==Pilz22, auch wenn ich gestehen muss, dass ich nicht alles kapiere. :(


    VG
    Wolfgang

    ----------------------------------------------------
    Ich bin ein fortgeschrittener Anfänger. Meine Einschätzungen zu Bestimmungsanfragen sind mit Vorsicht zu "genießen" !
    Und: Nicht jeder meiner Funde muss unbedingt bestimmt werden, ich freue mich einfach über jedes "Kerlchen"... :gzwinkern:

    • Offizieller Beitrag

    Hi Dieter,


    erstmal großes Kompliment zu dem tollen Beitrag und deinem sehr guten Vermögen komplizierte Dinge mit einfachen Worten zu erklären. Eine Fähigkeit, die mir hin und wieder fehlt. :thumbup:


    2-3 kleine Sachen muss ich aber korrigieren/ergänzen. Meine Einwürfe mögen pingelig und kleinlich erscheinen, sind aber trotzdem wichtig das mal richtigzustellen, damit hier kein falsches Bild von der Methodik entsteht, ws mir als studierter Biochemiker ein wichtiges Bedürfnis ist. Das ganze soll bitte nicht als Wichtigtuerei oder so was misverstanden werden.


    1. Diese 97%-Grenze von Ditte: Das ist kein festgelegter "Grenz"Wert! Laut deinem Beitrag kann das so aufgefasst werden. Ditte hat bisher die Erfahrung gemacht, dass Inocyben mit einer 97%igen Übereinstimmung und darunter eigene Arten darstellten. Das ist ihr bisheriger Erfahrungswert und es kann durchaus sein, dass Ditte mal über eine Ausnahme stolpert. Zudem ist dieser Wert gattungsspezifisch. Laut Aussage von Karl W ist es bei Rötlingen anders. Ich schreibe hier das ausdrücklich nochmal, damit hier keine Misverständnisse entstehen.


    2. Konsensussequenzen: Das sind die vereinheitlichten Sequenzen der Sequenzierung des sequenzierten Fundes. Es hat sich inzwischen etabliert, dass die Sequenzen von beiden Strängen der DNA separat untersucht und ausgegeben werden. Beide Einzelstrangsequenzen werden dann zu der sog. Konsensussequenz zusammengefasst. Das hat den Vorteil, dass bei Fehlern, welche unvermeidlich bei der Sequenzierungsreaktion passieren, du immer noch den Gegenstrang als zusätzliche Sicherheit hast.


    3. Dass die ersten und die letzten Basen von der Sequenz nicht verwendet werden, hat nix mit dem Signal-Rauschverhältnis an sich zu tun. Das liegt in der Methode der "Chromatograpie" (ich bin mir nicht sicher, ob das nicht doch eine Kapillarelektrophorese ist) mit ihren Nachteilen begründet, nämlich dass die kleinen DNA-Fragmente in der Säule nicht entsprechend zurückgehalten werden und die großen Fragmente zu lange, als dass eine gescheite Auftrennung erfolgen kann.


    4. Ach und eine kleine Sache noch: Die Reinkultivierung ist nur "nur" bei Mischkulturen auf Agarplatten wichtig. Ascomyceten, welche größere Fruchtkörper ausbilden, können direkt zur Sequenzierung.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Pilzfreunde,



    Hallo Dieter,
    eine grandiose Arbeit präsentierst du da. :thumbup:


    ...da bleibt mir doch grad mal ein bißchen der Mund offen stehen. SEHR beeindruckend, dankeschön!


    ..., danke für deine wahnsinn ´s Arbeit von der ich leider keine Ahnung habe.


    Danke, dass du das alles so zeitaufwendig dargestellt hast und auch, dass du es zu erklären versucht hast.


    Eine schöne aufwendige Arbeit mit großem Einblick!


    vielen Dank für den tollen Beitrag und die damit verbundene Arbeit ! ==Pilz22, auch wenn ich gestehen muss, dass ich nicht alles kapiere. :(


    erstmal großes Kompliment zu dem tollen Beitrag und deinem sehr guten Vermögen komplizierte Dinge mit einfachen Worten zu erklären. Eine Fähigkeit, die mir hin und wieder fehlt. :thumbup:


    am besten, ich speichere das mal ab.
    Dann weiß ich, wo ich bei Bedarf nachgucken kann. Wow!


    DAAAAANKE EUCH ALLEN! ;) ==Pilz24==18==taube


    Bei der Festlegung des Sporenpulvers kam mir so der Gedanke, ob es möglich ist, dass sich die Farbe des Spp. möglicherweise nur artbedingt sich im laufe der Zeit um einige Farbnuancen ändern kann?


    Ja, das Spornpulver verändert manchmal die Farbe im Laufe der Zeit.
    Nach den Beobachtungen von Helga Marxmüller (Gattung Russula):
    - mal schneller, mal langsamer, mal gar nicht, abhängig von der Art
    - Ist wahrscheinlich abhängig von der Sonneneinstahlung und vom Luftabschluss
    Nach meinen eigenen Beobachtungen:
    - Ich hatte einen wirklich überreifen Russula vesca dabei, der so stark nachgedunkelt hat, dass zuerst fast Reinweiß zu sehen war, nach schon ein paar stunden war es alles andere als Reinweiß. Ich beobachtete das Phänomen über mehrere Monate und heute ist das Sporenpulver trotz Licht und luftdichter Verpackung so irgendas zwischen II und III.


    2-3 kleine Sachen muss ich aber korrigieren/ergänzen. Meine Einwürfe mögen pingelig und kleinlich erscheinen, sind aber trotzdem wichtig das mal richtigzustellen, damit hier kein falsches Bild von der Methodik entsteht, ws mir als studierter Biochemiker ein wichtiges Bedürfnis ist. Das ganze soll bitte nicht als Wichtigtuerei oder so was misverstanden werden.


    Danke für deinen Beitrag - weißt ja - ich lerne immer etwas... :thumbup::thumbup::thumbup:


    1. Diese 97%-Grenze von Ditte: Das ist kein festgelegter "Grenz"Wert! Laut deinem Beitrag kann das so aufgefasst werden. Ditte hat bisher die Erfahrung gemacht, dass Inocyben mit einer 97%igen Übereinstimmung und darunter eigene Arten darstellten. Das ist ihr bisheriger Erfahrungswert und es kann durchaus sein, dass Ditte mal über eine Ausnahme stolpert. Zudem ist dieser Wert gattungsspezifisch. Laut Aussage von Karl W ist es bei Rötlingen anders. Ich schreibe hier das ausdrücklich nochmal, damit hier keine Misverständnisse entstehen.


    Aha - OK... Ja Gattungsspezifisch hatte ich schon mitbekommen.
    Gerade habe ich ein mords Problem mit einer solchen Abgrenzung.
    Es ist nämlich uach die Frage welcher %-Wert denn überhaupt gemeint ist.
    Die "Übereinstimmung in %" läst sich ja auf mehrere möglichkeiten berechnen:
    - rohe komplette sequenz zu einer anderen ohne schnitt und ohne gapping und zulassen von doppeldeutigkeiten
    - sequenz zu einer anderen ohne mit gapping von nur einer
    - sequenz zu einer anderen ohne mit gapping von beiden
    - sequenz zu einer anderen ohne mit gapping und Schnitt
    - das ganze dann ohne Zulassung von Doppeldeutigkeiten
    - usw usw...
    Ich habe nun einen Kandidaten den ich Euch bald zeige, da weiß man gar nicht wie man die Prozentuele Übereinstimmung ausrechnen soll.
    Das Gleiche gilt für das Bootstrapping - so viele Verfahren und Lösungsansätze... da ist keine für mich erkennbare einheitliche Regelung.


    2. Konsensussequenzen: Das sind die vereinheitlichten Sequenzen der Sequenzierung des sequenzierten Fundes. Es hat sich inzwischen etabliert, dass die Sequenzen von beiden Strängen der DNA separat untersucht und ausgegeben werden. Beide Einzelstrangsequenzen werden dann zu der sog. Konsensussequenz zusammengefasst. Das hat den Vorteil, dass bei Fehlern, welche unvermeidlich bei der Sequenzierungsreaktion passieren, du immer noch den Gegenstrang als zusätzliche Sicherheit hast.


    Hmmm - das hab ich anders als diese Beschreibung gelesen.
    Meine Software macht es auch genau so wie oben beschrieben.
    Siehe auch hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Konsensussequenz
    http://www.chemieonline.de/forum/showthread.php?t=192134
    Vermutlich gibt es 2 verschiedene Deutungen vom Begriff "Konsensussequenz" - das werde ich mal bei einem Bekannten nachfragen und nochmal dazu was schreiben.
    Denn diese - nun nennen wir sie mal "Summensequenzen" sind für mich inzwischen ein Werkzeug geworden.


    3. Dass die ersten und die letzten Basen von der Sequenz nicht verwendet werden, hat nix mit dem Signal-Rauschverhältnis an sich zu tun. Das liegt in der Methode der "Chromatograpie" (ich bin mir nicht sicher, ob das nicht doch eine Kapillarelektrophorese ist) mit ihren Nachteilen begründet, nämlich dass die kleinen DNA-Fragmente in der Säule nicht entsprechend zurückgehalten werden und die großen Fragmente zu lange, als dass eine gescheite Auftrennung erfolgen kann.


    Aha... das erklärt etwas was ich bislang nirgendss nachlesen konnte zum Teil.
    Stefan, hast Du da Lesestoff dazu? Kann ruhig sehr kompliziert sein.


    4. Ach und eine kleine Sache noch: Die Reinkultivierung ist nur "nur" bei Mischkulturen auf Agarplatten wichtig. Ascomyceten, welche größere Fruchtkörper ausbilden, können direkt zur Sequenzierung.


    Oh ja - das las ich bereits bei Lorcheln und co. Danke für die Ergänzung. :thumbup:


    Beste Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    3. Dass die ersten und die letzten Basen von der Sequenz nicht verwendet werden, hat nix mit dem Signal-Rauschverhältnis an sich zu tun. Das liegt in der Methode der "Chromatograpie" (ich bin mir nicht sicher, ob das nicht doch eine Kapillarelektrophorese ist) mit ihren Nachteilen begründet, nämlich dass die kleinen DNA-Fragmente in der Säule nicht entsprechend zurückgehalten werden und die großen Fragmente zu lange, als dass eine gescheite Auftrennung erfolgen kann.


    Aha... das erklärt etwas was ich bislang nirgendss nachlesen konnte zum Teil.
    Stefan, hast Du da Lesestoff dazu? Kann ruhig sehr kompliziert sein.


    Hi,


    zu den anderen Fragestellungen mache ich mich gerne auch nochmal schlau. Zu der obigen, kann ich dir DAS Grundlagenwerk schlechthin empfehlen. Eigentlich brauchst du "nur" den Chromatographieteil daraus.


    l.g.
    Stefan

  • Hallo Dieter,


    Sehr schöner Beitrag, den ich unbedingt auch von http://www.pilzforum.eu/board/…quenzierung-wissenswertes noch verlinken will :thumbup:


    Praxisnäher geht es kaum, das gefällt mir besonders. Zusammen mit den verlinkten Seiten noch einiger Lesestoff, den ich mir irgendwann noch einmal mit etwas mehr Zeit zu Gemüte führen werde.


    LG, Craterelle

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Dieter!


    Hut ab! :thumbup:
    Ich bin weit davon entfernt, das alles en detail zu verstehen, aber da ist so vieles so schön erklärt, daß ich hier sicher noch öfters reingucken werde.
    Nur eine Frage habe ich jetzt gleich, und zwar zu dem Bäumchen, was du oben zeigst:
    Wie nun hat sich die Bezeichnung "Tricholoma sejunctum" an einige Ästchen dort verirrt?
    Einfach nur groteske Fehlbestimmungen, oder liegt es an einer zufälligen Koinzidenz, daß die ITS - Sequenz von tricholoma sejunctum halt zufällig der von Kuehneromyces ähnelt, obwohl beide ganz und gar nicht näher verwand sind? Dann würden bezogen auf diese beiden Arten die Verwandschaftlichen Unetschiede wohl in anderen Abschnitten des Genoms deutlicher sein. Was dann wiederum einige Stammbäume infrage stellen dürfte, die sich vorwiegend an ITS - Sequenzen orientieren.



    LG, Pablo.

  • Hi Pablo!


    Warum ist mir das wieder nicht aufgefallen!
    Ärgerlich!
    Berechtigte Frage, vor allem, weil es ja nicht nur einmal ist, sondern mehrmals.


    Man hat da also einen Basidio als Vergleich dazugestellt. Aber warum soll der das Stockschwämmchen auf all seinen Wegen verfolgen.
    Möchte ich jetzt schon sagen, dass da was nicht passt.


    Dieter spricht ja vom "Grad der Nichtübereinstimmung", der damit getestet wird. Aber was soll man hier speziell rauslesen können?


    VG Ingo W

    ________________________________________________________________
    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130 + 4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134 + 7 (7.Platz im APR 2022) = 141 + 4 (KISD-Prozente von GnE) = 145 -15 (APR 2023) = 130 + 3 (10. Platz) = 133 + 3 (Unbewusst-Phal) = 136 + 5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141 + 5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146 + 7 (Phalplatz 1) = 153

    Link: Gnolmengalerie

    Link: APR 2023

    Link: Phalabstimmung 2023

    Link: Nanzen

    Einmal editiert, zuletzt von Ingo W ()


  • zu den anderen Fragestellungen mache ich mich gerne auch nochmal schlau. Zu der obigen, kann ich dir


    Danke Stefan!



    DAS Grundlagenwerk schlechthin empfehlen. Eigentlich brauchst du "nur" den Chromatographieteil daraus.


    Prima! Das bestelle ich mir auf jeden Fall in diesem Jahr.



    Sehr schöner Beitrag, den ich unbedingt auch von http://www.pilzforum.eu/board/…quenzierung-wissenswertes noch verlinken will :thumbup:


    Prima - tu das. ;)



    Nur eine Frage habe ich jetzt gleich, und zwar zu dem Bäumchen, was du oben zeigst:
    Wie nun hat sich die Bezeichnung "Tricholoma sejunctum" an einige Ästchen dort verirrt?
    Einfach nur groteske Fehlbestimmungen, oder liegt es an einer zufälligen Koinzidenz, daß die ITS - Sequenz von tricholoma sejunctum halt zufällig der von Kuehneromyces ähnelt, obwohl beide ganz und gar nicht näher verwand sind? Dann würden bezogen auf diese beiden Arten die Verwandschaftlichen Unetschiede wohl in anderen Abschnitten des Genoms deutlicher sein. Was dann wiederum einige Stammbäume infrage stellen dürfte, die sich vorwiegend an ITS - Sequenzen orientieren.



    Berechtigte Frage, vor allem, weil es ja nicht nur einmal ist, sondern mehrmals.
    Man hat da also einen Basidio als Vergleich dazugestellt. Aber warum soll der das Stockschwämmchen auf all seinen Wegen verfolgen.
    Möchte ich jetzt schon sagen, dass da was nicht passt.


    Also das ist so...
    Der erste "alle-Sequenzen Baum" enthält erst mal tatsächlich alle in der Datenbank vorhandenen Sequenzen die irgendwie in Frage kommen.
    Auch die falsch benannten. Dieser kleine Ausschnitt oben ist ein Teil eines großen Baumes, der so groß ist dass er hier nicht auf ein Bild passen würde - aber den braucht man in diesem Fall auch nicht wirklich. Nur der Ast ist in diesem Fall interessant.
    Ich sehe mir also erst mal alles komplett an und denke nach.
    Ich gruppiere dann - je nachdem wie der Baum aussieht - Beispiel zu dem Baum oben:
    - Die obere Gruppe muss ein als Kuehneromyces mutabilis bestimmter aus Korea sein, der aber eigentlich eine andere Art ist. Stört mich aber nicht, denn ausländische Art. Ich bilde auf Knopfdruck eine Gruppe und vergleiche die DNA mit meinem Fund. Siehe oben Query_37803. Das dauert kein 10 Sekunden um das zu erkennen.
    - in der unteren Gruppe tummeln sich wie wir an den Abstands-Werten sehen mit Sicherheit die echten deutschen Stockis. Dort findet sich - logisher Weise - mein Fund. Ich zeige Euch bald Sequenzen wo das gar nicht eindeutig ist. Ich wähle hier ja absichtlich etwas Eindeutiges. Ich könnte nun aus diesen Stockis eine Konsensus-Sequenz bilden und meinen damit vergleichen, aber bei dem Beispiel ist es ja so eindeutige dass das nicht nötig ist.
    - Wir finden aber auch andere Arten im Baum - hier Tricholoma sejunctum dreifach. Da gibt es 2 Möglichkeiten: a) drei Fehleinträge, b) eine zufällige Übereinstimmung dieses Sequenzabschnittes. Bei dieser Bestimmung behaupte ich mal dass es egal ist, ob a) oder b) denn rein makroskopisch kann mein Fund unmöglich Tricholoma sejunctum sein. Nun nehmen wir mal an, wir hätten keine Makroskopischen Daten... was dann?
    - Easy. Ich suche zunächst alle verfügbaren Tricholoma sejunctum sequenzen heraus.
    Das geht hier:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/n…term=Tricholoma+sejunctum
    Da gibt es eine Menge wie man sieht - nämlich 31 Stück (Penicillium chrysogenum und Aspergillus niger ist natürlich nicht das was wir suchen).
    Dazu einfach auf "basidiomycetes" klicken.
    - dazu hänge ich meinen Fund. Daraus mache ich wiedern ein Phylogram:


    oder so (das ist übrigens 100% der gleiche Baum!):


    Wir sehen:
    Es gibt viele Tricholoma sejunctum Einträge die sich stark unterscheiden. Ein Alignment dieser aller ist nicht sinnvoll.
    Wenn man also nun herausfinden wolle ob es Fehleinträge oder eine zufällige Übereinstimmung müsste man für diese 3 Tricholoma sejunctum näher untersuchen. Da es sich um unabhängige Funde in Tschechien, Deutschland und Korea handelt und sie zu 99% identisch sind, kann man davon ausgehen dass es tatsächlich Tricholoma sejunctum sind.
    Die Antwort ist als: Vermutlich ist es eine zufällige Übereinstimmung dieses Sequenzabschnittes.



    Dieter spricht ja vom "Grad der Nichtübereinstimmung", der damit getestet wird. Aber was soll man hier speziell rauslesen können?


    Damit meine ich im Prinzip: Ich habe Sequenzen herausgefiltert die einigermaßen gut übereinstimmen, nun suche ich aus diesen Sequenzen die jenigen durch die Ausschlussmethode heraus die weniger gut passen. Ich brauch dazu den Grad der Nichtübereinstimmung, welcher eben durch die Abstände im Phylogram am schnellsten optisch ersichtlich ist.
    Beste Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Dieter!


    Danke dir.
    Wenn man tatsächlich davon ausgehen würde, daß diese drei Tricholomas richtig bestimmt wurden (muss ja nicht auf die Art genau sein, aber zumindest die Gattung sollte man ja erkennen), dann wäre es schon seltsam, wenn die ITS - Sequenz so nahe bei Kuehneromyces steht. Und was bedeutet es, wenn andere als tricholoma sejunctum bestimmte Arten ganz woanders auftauchen? Denn bei Christensen & Heilmann-Clausen (die schon recht viel Sequenziert haben) ist für T. sejunctum nicht die Rede davon, daß das eine Art mit verschiedenen ITS - Sequenzen wäre (so wie zB T. sulphureum). Also passt da was in den Bestimmungen der Sequenzen für dieses Bäumchen nicht zusammen.


    Aber dennoch: Gehen wir mal davon aus, daß die drei als Tricholoma sejunctum bestimmten Pilze im Bäumchen tatsächlich in die Gattung Tricholoma gehören: Das bringt doch das ganze Bäumchen irgendwie ins Wanken. Tricholoma und Kuehneromyces / Pholiota sind nicht so nahe verwand. Teilweise wurden aufgrund von ITS - Sequenzen schon ganze Gattungen, Familien und Ordnungen umstrukturiert. Wenn es nun aber so wäre, daß ITS - Sequenzen von so unteschiedlichen Gattungen (aus unterschiedlichen Familien) da zufällig so ähnlich sein können: Was sagt das über Verwandschaftsstrukturen aus, die man vorwiegend aufgrund von Nähen von ITS - Sequenzen in solchen Bäumchen definiert hat?


    Darüber muss ich wohl erstmal noch ein Weilchen nachdenken.



    LG; Pablo.


  • Wenn man tatsächlich davon ausgehen würde, daß diese drei Tricholomas richtig bestimmt wurden (muss ja nicht auf die Art genau sein, aber zumindest die Gattung sollte man ja erkennen), dann wäre es schon seltsam, wenn die ITS - Sequenz so nahe bei Kuehneromyces steht.


    Absolut - ja...



    Und was bedeutet es, wenn andere als tricholoma sejunctum bestimmte Arten ganz woanders auftauchen? Denn bei Christensen & Heilmann-Clausen (die schon recht viel Sequenziert haben) ist für T. sejunctum nicht die Rede davon, dass das eine Art mit verschiedenen ITS - Sequenzen wäre (so wie zB T. sulphureum). Also passt da was in den Bestimmungen der Sequenzen für dieses Bäumchen nicht zusammen.
    Aber dennoch: Gehen wir mal davon aus, dass die drei als Tricholoma sejunctum bestimmten Pilze im Bäumchen tatsächlich in die Gattung Tricholoma gehören: Das bringt doch das ganze Bäumchen irgendwie ins Wanken. Tricholoma und Kuehneromyces / Pholiota sind nicht so nahe verwand. Teilweise wurden aufgrund von ITS - Sequenzen schon ganze Gattungen, Familien und Ordnungen umstrukturiert. Wenn es nun aber so wäre, dass ITS - Sequenzen von so unterschiedlichen Gattungen (aus unterschiedlichen Familien) da zufällig so ähnlich sein können: Was sagt das über Verwandschaftsstrukturen aus, die man vorwiegend aufgrund von Nähen von ITS - Sequenzen in solchen Bäumchen definiert hat?


    Tja, da muss ich passen, mit Tricholoma-sequenzen hab ich mich noch überhaupt nicht beschäftigt.
    Da müsste man einen Gattungs-Experten zu Rate ziehen.
    Inzwischen weiß ich aber, dass die ITS-Region vollkommen unterschiedlicher, nicht miteinander verwandten Arten oft eine zufällige - recht gute Übereinstimmung zeigen kann.
    Genau so können Makro-mikroskopisch gleiche Arten (siehe hier Kuehneromyces mutabilis) unterschiedliche Sequenzen zum Tageslicht fördern.
    Interessant finde ich auch Erkenntnisse, dass zum Beispiel die Samtfußrüblinge nicht mehr mikroskopisch unterschieden werden können, wie man zunächst glaubte.
    Das erklärt natürlich auch nicht, wieso die Tricholoma sejunctum (-Gruppen) solche großen Unterschiede zeigen.
    Es gibt hier 2 Möglichkeiten:
    a) Tatsächlich unterschiedliche Arten die bislang Makro-Mikroskopisch nicht unterschieden werden konnten und als Tricholoma sejunctum bestimmt wurden
    b) Fehlbestimmung dieser Gruppen
    Beides können wir nicht nachvollziehen da wir nur die Sequenz, nicht aber die makro-mikro-Daten haben.
    Nun müsste man mit dem Typus vergleichen welches denn eigentlich die offizielle Sequenz ist... Falls es jemand kennt - wäre mal ein Spaß das zu tun.
    Da fällt mir ein: Ich suche schon lange Ein Typus-Sequenz-Verzeichnis. Gibt es so was?


    Eine sehr interessante "Studie" zu genau diesem Problem findet man indirekt in Helga Marxmüller grandiosen Werk "Russula icones".
    Sie bestimmte äußerst akribisch Russulas mit Henry Romagnesi zusammen ausschließlich makro-mikroskopisch.
    Dann führte sie bei sehr vielen Arten im Nachgang eine Sequenzierung durch. Die Ergebnisse sind äußert erstaunlich. Jeder der sich mit Sequenzierung beschäftigt sollte sich das durchlesen - egal ob er sich für Täublinge interessiert oder nicht.
    Helga weist in der Einleitung darauf hin dass sie die makro-mikroskopischen Bestimmungen beibehalten hat, obwohl sie nach hunderten von Sequenzierungen sicher war dass es sich eigentlich um unterschiedliche, also noch nicht beschriebene Arten handelt, und das mit "wir sind noch nicht so weit" begründete.
    Genau diesen Gedanken müssen wir im Hinterkopf behalten. "Wir sind noch nicht so weit". Zumindest bei den meisten Gattungen.
    Sucht man heute nach Gattung "Russula" findet man rund 10000 Sequenzen - aua!
    Die Frage ist: Sind wir nach 10000 Sequenzen nun so weit um "alle" Russula-Arten eindeutig bestimmen zu können?
    Man bedenke dass 10000 viiiiel mehr ist als bekannte Russlula Arten weltweit.
    Ich weiß die Antwort dazu natürlich auch nicht. ;)


    Beste Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    interessante Thematik. Das ist aber auch wirklich ein Hauptkritikpunkt, den ich schon 2013 mit Toffel mal diskutierte. Damals hatte ich von Pilzen noch bei weitem nicht so viel Ahnung, dafür aber von der Genetik/Gentechnik. Bis jetzt läuft da sehr viel über die ITS-Sequenz. Das mag vielleicht bei vielen Lamellenpilzgattungen Sinn machen; aber nicht immer und überall. Die ganzen ersten Hebelomen-Untersuchungen für das neue Fungi Europaei Hebeloma-Werk waren ziemlich ernüchternd, weil alle die gleiche ITS-Sequenz hatten. Es musste erstmal eine Sequenz gefunden werden, mit welcher sich auch die Arten trennen liesen. Wenn eine Pholiota-Art und eine Tricholoma-Art sehr ähnliche ITS-Sequenzen haben, ist es einmal mehr umso wichtiger, dass dort zu dem sequenzierten Fund auch die makro- und mikroskopischen Merkmale erfasst und irgendwo zu dem Fund auch öffentlich hinterlegt werden. Zudem kann man dann auch nicht ohne weiteres auf Verwandtschaftsverhältnisse schließen.


    Was man zu dem Thema auch noch wissen muss. Wir reden hier von Sequenzen einzelner DNA-Abschnitte. Nicht vom Gesamtgenom.
    Es ist, wie Dieter schon sagte. Wir wissen zu wenig; aber das wenige Wissen wenden wir auch ohne zu viel zu hinterfragen auch an.


    Übrigens hatte Heinrich Dörfelt mal einen interessanten Vortrag zu dem Thema. Er meinte nur ganz plakativ: "Es gibt keine Arten". :D Er hat auch in gewisser Weise damit recht. Der Mensch hat den Drang alles in Schubladen zu stecken; nur die Natur lässt sich nicht immer in Schubladen stecken.


    l.g.
    Stefan

  • Hallo Dieter!


    Zitat


    Die Frage ist: Sind wir nach 10000 Sequenzen nun so weit um "alle" Russula-Arten eindeutig bestimmen zu können?


    Genau in dieser Denkhaltung ist doch das Übel schon begründet.
    Jede 2. Art entwickelt sich auseinander, da verschwimmen die Grenzen zur nächsten.
    Schätze, man wird sich irgendwann damit abfinden müssen, dass eine Art (so wie wir es gerne hätten) keine festen Grenzen haben muss.


    Auch hatte ich gestern ein schönes Erlebnis mit einer Mollisia-Art-Abgrenzung (nicht von mir, ich kann das nicht!)


    Da weigerten sich doch 3 beieinanderliegende Mollisia-Kollektionen xy strikt zu den anderen, gleich aussehenden Kollektionen im Sequenz-Baum aufzuschließen, welche mikroskopisch übereinstimmten und für mich nicht zu trennen waren.


    Da schwinden die Hoffnungen natürlich. Weil, wenn Arten nur noch per Genanalyse auseinanderzuhalten sind, macht ja unser Pilz-Bestimm-Job keinen rechten Spaß mehr und verliert an Wert (kriegt man das Rada-Syndrom).


    Ich will die Geschichte nicht in die Länge ziehen:
    es stellte sich heraus, dass beim Alignment-Auswerten nicht alles optimal gelaufen ist, und wenn man mit dem nötigen Wissen die Überschuss-Basen wegnimmt und den Rest irgendwie auffüllt (fragt mich keine Details), alles in Ordnung kommt.
    Jetzt sitzen die alle friedlich beieinander im Baum, einigermaßen so, wie sie per Mikro vorbestimmt waren, und meine Welt ist wieder in Ordnung (wenigstens bei der Art). Dummerweise gibt es nämlich noch ähnliche Fälle.


    Was ich damit sagen will: vielleicht ist ja gar nicht immer ein "wegwachsender" Arm im Sequenz-Baum auch automatisch gleich als "völlig andere Art" und "nichtzugehörig" interpretierbar!
    Manchmal sind Sequenzen unsauber, da wächst der Arm vielleicht auch gleich fortwärts und passt nicht mehr so gut.


    VG Ingo W

    ________________________________________________________________
    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130 + 4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134 + 7 (7.Platz im APR 2022) = 141 + 4 (KISD-Prozente von GnE) = 145 -15 (APR 2023) = 130 + 3 (10. Platz) = 133 + 3 (Unbewusst-Phal) = 136 + 5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141 + 5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146 + 7 (Phalplatz 1) = 153

    Link: Gnolmengalerie

    Link: APR 2023

    Link: Phalabstimmung 2023

    Link: Nanzen

    • Offizieller Beitrag

    Moin.


    Oder man muss halt bei den Ergebnissen, die wir uns aus den ITS - Untersuchungen zusammenreimen, etwas kritischer sein.
    Nimmt man das Beispiel von Ingo: Ohne kritische Betrachtung wäre der Fehler vielleicht einfach übernommen worden und man hätte aus einer Art mal rasch drei gemacht. Tut mir leid, wenn ich weiter von "Arten" spreche. Das ist halt Definitionssache: Natürlich geht die Natur, die Evolution ihre Wege, von denen wir aus unserer anthropozentrischen Perspektive nur Bruchstücke verstehen. Dazu müssen wir aber Begriffe erfinden, um Dinge oder Vorgänge zu beschreiben, so daß wir sie diskutieren können. Die Realtität passt sich nicht an unsere Begriffe an, wir müssen nur unser Verständnis / unsere Definition dieser Begriffe nach und nach an die Realität anpassen. Auch das ist ein Prozess und somit Teil der Evolution. :)


    Helga Marxmüller hat mit Sicherheit ein gutes Verständnis von Russulaceae, das auf Erfahrung beruht, ausgehend von akribischer Beobachtung der morphologischen Eigenschaften. Da muss man sich nicht irritieren lassen, wenn eine "Art" ganz verschiedene ITS - Sequenzen aufweist. Vielleicht wäre das der nächste Schritt gewesen, bei ein paar morphologisch gut definierten "Arten" jeweils das gesamte Genom aufzuschlüsseln und nach einer geeigneteren Sequenz zu suchen.


    Wenn ich das übrigens richtig verstanden habe, gibt es Programme, die aus einzelnen Sequenzen je nach deren Aussehen und Ähnlichkeit Bäumchen berechnen. Ganz grob und sehr vage vorgestellt: So wie man aus einigen Punkten in einem Koordinatensystem eine Kurve ableiten kann, wird aus einigen Sequenzen ein Verwandschaftsbäumchen abgeleitet. Blöd nur, daß biologisches Leben nicht ganz so einfach ist wie eine Kurve in einem zweidimensionalen System, so daß es eben nicht klar sein muss, wohin ein einzelner Punkt (= eine einzelne Sequenz) wirklich gehört. Hätte man ein vollständiges Genom entschlüsselt und untersucht, würde das Bild schon vollständiger werden. Aber auch das bleibt dann ja nur ein Teil des Ganzen.


    Aber um noch mal auf einen wirklich interessanten Punkt zu kommen:
    Was sich ja anhand dieser beispielhaften Untersuchung gut nachvollziehen lässt, sind die zwei geografisch weit auseinanderliegenden "Stämme" von Kuehneromyces mutabilis: Der mitteleuropäische und der koreanische. Hier finde ich es wenig verwunderlich und durchaus nachvollziehbar, daß ein - wenn auch morphologisch sehr ähnlicher - Pilz am anderen Ende der Welt eben nicht ganz das Gleiche ist. Nun müsste man halt noch herausfinden, was das "koreanische" Stockschwämmchen außer der Heimat und der Sequenz noch vom "europäischen" Stockschwämmchen unterscheidet. Solche Ansätze sind durchaus interessant, müssten aber vertieft werden. So ähnlich ist es ja mit vielen Pilzen, die lange Zeit in Nordamerika den gleichen Namen hatten wie in Europa, bis man eben feststellen musste, daß es da doch ein paar Unterschiede gibt. Was halt auch auf wackeligen Füßen steht, solange die ITS - Sequenz das einzige Argument ist, um da zwei Spezies draus zu machen. Immerhin: Wenn gute morphologische Dokumentationen vorliegen, und man dennoch immer wieder zum selben Ergebnis kommt, hat auch das einen Informationsgehalt. Also wen "Art morphologisch XY" in Europa immer die "Sequenz A" hat und die morphologisch identische Art XY in Nordamerika immer die "Sequenz B" hat, die Sequenzen also bei morphologisch bestimmten Funden immer gleich ist und je nach Kontinent immer in dejn selben Basenpaaren abweicht, kann man daraus sehr wohl etwas ableiten, denke ich.


    Aber das ist eben der Punkt: Dazu braucht es intensiv untersuchte und dokumentierte Kollektionen.
    Bezogen auf die mit "Tricholoma sejunctum" beschrifteten Sequenzen im Kuehneromyces - Bäumchen: Wenn zu denen keiin Beleg und / oder keine detaillierte Dokumentation vorliegt, sind sie nutzlos und gehören im Grunde genommen gelöscht.
    Ebenso wie die sinnlosen Sequenzen zu "uncultured Basidiomycota", die in der Form ebenso null wissenschaftliche Aussagekraft haben.



    LG, Pablo.

  • [font="Arial"]Hallo zusammen,[/font]
    [font="Arial"]das was ihr schreibt kann ich auch noch mal unterstreichen. Vor allen Pablos Beitrag –“ der zum Nachdenken in mehrere Richtungen anregt.[/font]
    [font="Arial"]Siehe auch meinen ursprünglichen Beitrag: "Ich kann jeden den Hinweis geben, dass die gründliche Datenaufnahme des (frischen) Pilzes und dessen Standort wichtiger ist, als das Mikroskopieren und Sequenzieren."[/font]
    [font="Arial"]Ich denke auch, dass die Sequenzanalyse trotzdem hilfreich sein kann für die Studie von Gattungen. [/font]
    [font="Arial"]Also so, wie Pablo früher schon mal schrieb, dass man wenn man einen unterschied in der DNA erkannt hat, sich wohl ein morphologisches Unterscheidungsmerkmal geben könnte, dass nur noch keiner entdeckt hat. Danach könnte man dann suchen –“ diesen Satz halte ich immer im Hinterkopf. [/font]
    [font="Arial"]Beispiel: Gehen wir einmal davon aus, dass die Tricholoma sejunctum oben von den Sequenzierern auch akribisch voruntersucht wurden und quasi eindeutig als solche bestimmt wurden. Würde man diese DNA-mäßig total unterschiedlichen Gruppen nun einer genauen weiteren makro-mikroskopischen Untersuchung, einschließlich Untersuchungen die man normalerweise nicht unbedingt macht, also makrochemische Reaktionen, mikrochemische Reaktionen, UV-Lichtbilder, und ähnliches - könnte sich ein weiteres eindeutiges Unterscheidungsmerkmal finden lassen, welches wir Praktiker dann anwenden könnten. [/font]
    [font="Arial"]Mal sehen wie sich das alles entwickelt - ich werde auf jeden Fall versuchen weitere Sequenzierungen zumindest für Bestätigungszwecke in mein Hobby einfließen zu lassen. Ich berichte Euch natürlich darüber was ich alles so herausfinde. [/font]


    [font="Arial"]Ich habe zusammenfassen folgende ungeklärte Fragen zum Thema, die ich hier mal zur Diskussion stelle –“ vielleicht weiß der eine oder andere Experte dazu etwas:[/font]

    • [font="Arial"]gibt es ein Typus-Sequenz-Verzeichnis?[/font]
    • [font="Arial"]Ascos: Wie funktioniert das nun genau mit dieser Kultur, das heißt –“ wie können wir Praktiker das mit einigermaßen vertretbaren Aufwand nutzen? Wo bekommt man die Materialien dazu her (falls man es selber machen will) und schadet es der Kultur wenn sie per Post verschickt wird?[/font]
    • [font="Arial"]welche der vielen bekannten Berechnungs-Methoden von Phylogrammen ist üblich bei Pilzen?[/font]
    • [font="Arial"]bringt es überhaupt etwas ein Phylogramm zu erstellen wenn man nur einen Teil der DNA verwendet –“ also die ITS-Region. Denn: es ergeben sich logischer Weise vollkommen andere Bäume mit der ITS-Region im vergleich zu dem kompletten Genom. Das gleiche gilt für Bootstrap-Werte. Der Logik nach könnte man aus ITS-Regionen weder ein richtiges Phylogramm machen, noch korrekte Bootstrapwerte, Abstandswerte, Unterschiedswerte usw. berechnen, denn man lässt den Rest des Genoms ja einfach weg. [/font]

    [font="Arial"]Beste Grüße[/font]
    Dieter

  • Hallo zusammen


    Was ich mich schon seit längerem Frage. Wer macht denn überhaupt Sequenzen bzw. wo kann man seine Proben zum Sequenzieren hinschicken ?
    Bisher habe ich nur von diesem Services in Spanien gehört, der Sequenzierungen gegen Aufpreis macht. Gibt es so etwas auch in Deutschland ?


    VG : Thorben

    • Offizieller Beitrag

    [font="Arial"]Ich habe zusammenfassen folgende ungeklärte Fragen zum Thema, die ich hier mal zur Diskussion stelle –“ vielleicht weiß der eine oder andere Experte dazu etwas:[/font]


    • [font="Arial"]gibt es ein Typus-Sequenz-Verzeichnis?[/font]
    • [font="Arial"]Ascos: Wie funktioniert das nun genau mit dieser Kultur, das heißt –“ wie können wir Praktiker das mit einigermaßen vertretbaren Aufwand nutzen? Wo bekommt man die Materialien dazu her (falls man es selber machen will) und schadet es der Kultur wenn sie per Post verschickt wird?[/font]
    • [font="Arial"]welche der vielen bekannten Berechnungs-Methoden von Phylogrammen ist üblich bei Pilzen?[/font]
    • [font="Arial"]bringt es überhaupt etwas ein Phylogramm zu erstellen wenn man nur einen Teil der DNA verwendet –“ also die ITS-Region. Denn: es ergeben sich logischer Weise vollkommen andere Bäume mit der ITS-Region im vergleich zu dem kompletten Genom. Das gleiche gilt für Bootstrap-Werte. Der Logik nach könnte man aus ITS-Regionen weder ein richtiges Phylogramm machen, noch korrekte Bootstrapwerte, Abstandswerte, Unterschiedswerte usw. berechnen, denn man lässt den Rest des Genoms ja einfach weg. [/font]

    [font="Arial"]Beste Grüße[/font]
    Dieter


    Hi,


    meine Antworten zu den Fragen in aller Kürze:


    1. meines Wissens kein allgemeines; in diversen Gattungsmonographien kann dazu aber was stehen; ist dann aber nur für die jeweilige Gattung
    2. das ist tricky. Du brauchst ein entsprechendes steriles Nährmedium, meistens Malzagar oder PDA und beimpfst diese mit Pilzfragmenten, Sporen, mit phytopathogenen Pilzen befallenen Pflanzenteile/Samen usw. unter mehr oder minder sterilen Bedingungen und hoffst auf Reinkulturen. Wenn keine rauskommen, musst du von den Kolonien was abimpfen und auf neues Nährmedium bringen und hoffen, dass dort dann eine Reinkultur rauskommt. Das kann durchaus dauern (mehrere Überimfungen). Die Platten kannst du bei Raumtemperatur lagern und nach 7-10 Tagen siehst du dann Kulturen, die du mikroskopieren musst und ggf. bestimmen kannst.


    Einige dieser Pilze kannst du nur mit sehr viel Mühe und Erfahrung bestimmen: Penicillium, Alternaria, Cladosporium und Fusarium um mal die Klassiker zu nenen. Eine Artdiagnose ohne Sequenzierung ist da sehr schwierig bis unmöglich ( für Cladosporium).


    3. mach ich mich mal schlau. Ich hab leider meine händischen Aufzeichnungen von dem Sequenzierkurs bisher nicht wiederfinden können. :shy:


    4. Das ist genau der Punkt. Das komplette Genom wurde von den meisten Pilzarten meines Wissens noch gar nicht "aufgeschlüsselt". Es sind da meistens nur die ITS-Regionen bekannt. Innerhalb einer Gattung/Familie mag ein phyllogenetischer Stammbaum über die ITS-Region eine gute Möglichkeit/Modell sein. Im Endeffekt wird es die Zeit und neue wiss. Erkenntnisse zeigen, inwieweit die ITS-Region dazu taugt Verwandtschaftsverhältnisse herauszufinden.



    Hallo zusammen


    Was ich mich schon seit längerem Frage. Wer macht denn überhaupt Sequenzen bzw. wo kann man seine Proben zum Sequenzieren hinschicken ?
    Bisher habe ich nur von diesem Services in Spanien gehört, der Sequenzierungen gegen Aufpreis macht. Gibt es so etwas auch in Deutschland ?


    VG : Thorben


    Hallo Thorben,


    klar bieten das auch Firmen in Deutschland an. Über die DGfM/ZMykol gibt es sogar die Möglichkeit über eigener Ideen/Projekte einer kostenlosen Sequenzierung.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Stefan


    Zitat


    klar bieten das auch Firmen in Deutschland an. Über die DGfM/ZMykol gibt es sogar die Möglichkeit über eigener Ideen/Projekte einer kostenlosen Sequenzierung.


    Das ist gut zu wissen, leider habe ich keine Projekte, sondern nur Einzelfunde. Aber falls mal ein Projekt gemacht werden soll, dann werde ich mich bei der DGfM melden.


    VG : Thorben